
Ab jetzt wird‘s technisch!
Ich freue mich riesig, euch heute Daniel Rausch als neuen Co-Autor bei Audax-Franconia vorzustellen! Etwas Hintergrund dazu; unsere gemeinsame Reise auf dem Rad begann bereits im Jahr 2017. Damals organisierte ich den Gran Giro 400, eine vierhundert Kilometer-Langstreckenfahrt, um damit Langstrecken-interessierten Radfahrern gemeinsam mit Audax Franconia die Chance zu geben, zum einen von meiner Erfahrung des Langstreckenfahren zu profitieren und in die Welt des Ultra-Cycling – also Nachtfahrt, spezielle Ausrüstung und die mentale Herausforderung – hinein zu schnuppern. Daniel war dabei und so fuhren wir zu 8 durch Nacht.
Seit diesem Tag ist Daniel infiziert und hat sich in den wenigen folgenden Jahren zu einem beeindruckenden Brevet-Fahrer und echten Langstrecken-Enthusiasten entwickelt. Uns verbindet eine respektvolle Freundschaft, die vom intensiven Austausch über unsere gemeinsame Leidenschaft lebt: das Langstrecken-Radfahren, das Gravelbiken und einfach alles, was ein bisschen extrem ist! 😉
Nun startet Daniel mit seinem ersten Beitrag auf unserer Website. Daniel ist ein ausgewiesener Experte für Produkte und Technik und bringt insbesondere eine langjährige Expertise im Bereich Asien-Produkte mit. Hier finden Daniel und ich die perfekte Ergänzung bei Audax Franconia. Ich freue mich auf eine große, gemeinsame Zukunft und viele spannende Geschichten von ihm hier bei uns. Viel Spaß mit Daniels Einblicken in das Thema: Wintertraining für Langstreckenfahrer.
Winter ist keine Ausrede – Winter ist Training
Seit über zehn Jahren fahre ich Jahr für Jahr tausende Kilometer durch Kälte, Nässe und Dunkelheit. Seit 2016 absolviere ich die Rapha Festive500 ausschließlich draußen – und habe dabei gelernt: Im Winter zählt nicht die Leistung, sondern die Intelligenz des Trainings. In dieser vierteiligen Serie teile ich meine Erfahrungen, wie du sicher, effektiv und motiviert durch die kalte Jahreszeit kommst. Ohne teures Equipment, bzw. mit intelligenter Verteilung des Budgets.
- Teil 1: Trainingsphilosophie, mentale Strategien & Grundlagen
- Teil 2: Bekleidung & Sichtbarkeit- Warm bleiben und gesehen werden
- Teil 3: Fahrweise & Equipment – Streckenplanung, Radpflege und Notfalltipps
- Teil 4: Ernährung, Pausen & Community- Energiehaushalt und Motivation

Meine Trainingsphilosophie – Grundlage statt Rekorde
Im Winter geht es nicht um Tempo oder extreme Kilometerrekorde, sondern um kontinuierliche Grundlagenarbeit, Körpergefühl und mentale Stärke. Mein Ansatz ist einfach: Draußen fahren, wann immer es möglich ist – aber mit Vernunft.
Warum Grundlagentraining?
Der Körper verbraucht im Winter mehr Energie, um warm zu bleiben. Hohe Intensitäten draußen führen schnell zu Schweiß – und Schweiß plus Kälte sind eine gefährliche Kombination. Nasse Kleidung kühlt den Körper aus, das Immunsystem leidet, und die Gefahr einer Erkältung steigt.
Deshalb:
– Lange, ruhige Einheiten im Grundlagenbereich (60-70% der maximalen Herzfrequenz).
– Intensive Einheiten auf die Rolle verlagern – dort bleibt die Körpertemperatur stabil.
1. Rolle vs. Straße: Eine klare Abwägung
Rollentraining ist kein Ersatz fürs Draußentraining, aber ein wertvolles Werkzeug. Aber Achtung: Die Rolle ersetzt nicht das Radgefühl, die mentale Herausforderung und den Gemeinschaftsaspekt des Outdoor-Trainings.
Warum ich im Winter Intervalle nur drinnen fahre
– Kein Auskühlen: Drinnen bleibe ich warm, vermeide nasse Klamotten und Erkältungsrisiko.
– Kontrollierte Bedingungen: Kein Eis, kein Schnee, keine unerwarteten Hindernisse.
– Präzise Steuerung: Intervalle lassen sich auf der Rolle exakt umsetzen.
2. Draussen fahren – wenn es sinnvoll ist
Nicht jede Wetterlage eignet sich für Outdoor-Einheiten. Meine Faustregeln:
→ Trockenheit geht vor: Lieber bei -5°C und trockenem Wetter fahren als bei 0°C und Nässe (mal abgesehen von zusätzlichen Events wie die Festive 500, hier fahre ich bei jedem Wetter.)
→ Tageslicht nutzen: Im Winter wird es schnell dunkel. Ich plane meine Touren so, dass ich möglichst bei Licht unterwegs bin.
→ Immer genug Licht dabeihaben! Selbst bei Tagfahrten – ein Defekt oder Wetterumschwung kann dich im Dunkeln stranden lassen. Ohne Licht loszufahren ist keine Option.
3. Streckenplanung: Kürzer, flacher, sicherer
Um mein Training im Winter effektiv und sicher zu gestalten, passe ich meine Routen aktiv an die Bedingungen an.Ich verzichte konsequent auf anspruchsvolle Bergtouren bei Schnee oder Eis, da Radwege in höheren Lagen oft ungeräumt sind und die Bedingungen dort schneller glatt oder vereist werden. Stattdessen wähle ich Flachland- oder moderate Steigungsstrecken, um übermäßiges Schwitzen zu vermeiden und damit das Risiko einer Unterkühlung zu minimieren. Bei der Planung habe ich stets die Temperatur entlang der gesamten geplanten Strecke im Auge,besonders weil unbefestigte Gravel-Wege bei Nässe oder Frost schnell unpassierbar und rutschig werden können. Ich reduziere die Streckenlänge und absolviere lieber mehrere kürzere Einheiten pro Woche, anstatt mich bei extremen Bedingungen unnötig zu quälen. Bei der Planung von Langdistanzen (ca. 250–300 km) ist es mir zudem wichtig, eine Hotel- oder Unterkunftsmöglichkeit einzuplanen, damit ich mich unterwegs aufwärmen und regenerieren kann.

4. Pausen und Energiehaushalt – weniger ist mehr
Meine Pausenstrategie unterscheidet sich im Winter radikal vom Sommer: Ich mache fast keine kurzen Stopps. Kurze Pausen führen nur dazu, dass der Körper schnell auskühlt. Meine Strategie ist daher: Wenn ich anhalten muss, dann nehme ich mir längere Pausen im Warmen – beim Bäcker oder im Café.
Das A und O ist, ständig in Bewegung zu bleiben. Das bedeutet auch, in den Abfahrten leicht mitzutreten, um die Muskulatur warmzuhalten und das Auskühlen zu verhindern.
Im Winter ist der “30er-Schnitt” absolut zweitrangig. Für mich zählt, Energie zu sparen und auf den Körper zu hören. Meine persönliche Erfahrung, besonders während der Festive 500 im Jahr 2019, hat mich gelehrt: Eine ausgefallene Trainingseinheit ist immer besser als eine Woche mit Erkältung. Da der Körper bei Kälte ohnehin härter arbeitet, gilt für mich die oberste Regel: Kein Training um jeden Preis!
5. Mentale Strategien – Motivation und Gemeinschaft
Gerade wenn das Wetter ungemütlich ist, entscheidet oft die mentale Einstellung, ob man wirklich aufs Rad steigt. Mein bewährtes Arsenal an Tricks hilft mir, die Motivation hochzuhalten und die Einsamkeit auf langen Winterfahrten zu besiegen:
Klare Ziele und Challenges setzen
Ich brauche einen Anreiz, um morgens aus dem warmen Bett zu kommen. Das Setzen von Zielen ist der wichtigste mentale Anker im Winter:
- Große Herausforderungen annehmen: Challenges wie die Rapha Festive 500 (oder die Varianten wie Gnu-, Schleudergang- oder thebadge-500) geben dem Dezembertraining einen Sinn.
- Für Events planen: Die Anmeldung für ein Winter-Brevet oder das Training für das anstehende Trainingscamp im Frühjahr sorgen für langfristige Verbindlichkeit.
- Persönliche Meilensteine definieren: Ob das Jahreskilometerziel, die Monats-Kilometerziele oder einfach nur die Regel “3x pro Woche raus” – Hauptsache, das Ziel ist realistisch und messbar.
Belohnungen fest einplanen
Nach der Anstrengung folgt die Belohnung. Diese kleinen Freuden sind oft der beste Motivator:
- Während der Tour: Ein Stopp mit richtig gutem Essen oder ein ausgedehnter, warmer Kaffeestopp.
- Nach der Tour: Eine entspannende Sauna oder ein ausgiebiges Essen mit meiner Partnerin/meinem Partner.
Flexibel bleiben
Manchmal spielt das Wetter einfach nicht mit. Hier ist Pragmatismus gefragt:
- Bei Extremwetter oder Eis weiche ich ohne schlechtes Gewissen auf die Rolle aus.
- Ich baue alternative Sportarten wie Laufen ein, um Abwechslung zu haben und andere Muskelgruppen zu trainieren.
Die Community nutzen
Auch wenn ich meistens allein fahre: Gemeinsame Aktionen helfen mental ungemein.
- Gemeinsame Ausfahrten (z. B. mit den besten Buddies) brechen die Einsamkeit.
- Strava-Challenges und der Austausch in der Community sorgen für Motivation und den nötigen “Wettkampf”-Reiz.
Fazit und Ausblick – draußen fahren, aber klug
Mein Wintertraining ist letztlich eine bewusste Mischung aus Disziplin, Anpassungsfähigkeit und vor allem gesundem Menschenverstand. Ich bin davon überzeugt, dass das Training draußen unter freiem Himmel mein Immunsystem stärkt, meine mentale Gesundheit fördert und mein Gefühl fürs Rad schärft – aber eben nur, wenn ich es richtig angehe.
Die Rolle ist für mich ein wertvolles Werkzeug, aber kein vollständiger Ersatz für die Straße. Meine wichtigste Regel lautet: Höre auf deinen Körper, sei flexibel, passe dich den Bedingungen an und scheue dich nicht, notfalls eine Einheit ausfallen zu lassen oder auch mal die Laufschuhe statt der Radschuhe zu wählen.
Ausblick: Im nächsten Teil (Teil 2/4) geht es um Bekleidung & Sichtbarkeit: Wie bleibst du warm, trocken und sichtbar – ohne Unsummen für teure Markenkluft auszugeben?


