Rückblick Events – meine persönliche Suche nach dem heiligen Gravel

Die Anzahl der Events mit dem Label “Gravel” und “Bikepacking” nehmen zu. Ich bin die letzten Monate einiges an Langstrecken-Events gefahren. Davon auch einige Gravel- und Bikepacking-Events. Ich will mich hier im Beitrag auf letzteres beschränken – Gravel und Bikepacking-Events. Der Rando hat Sonderstatus, falls jemand darüber nachdenkt. Es liegt mir am Herzen, dafür zu werben.

Im Veranstaltungsbereich passiert im Moment viel Gutes, die Dinge entwickeln sich, vieles mischt sich durch, MTBler fahren gemeinsam mit Roadies, neue Veranstalter rufen neue Veranstaltungen mit interessanten Formaten ins Leben. Wir tun es auch und gehen mit Bikepacking Franconia 2020 in die zweite Auflage. Es bleibt eine spannende Zeit in der Entwicklung dieser Disziplin(en). Im Folgenden stelle ich paar Events vor, von denen es wert ist, darüber zu berichten und die ich selbst gefahren bin. In chronologischer Reihenfolge. 

Rando Imperator ♥ 650 KM

Der Rando ist ein echter BRM-Brevet, auch wenn manchmal als Gravel-Event bezeichnet. Es ist definitiv kein Gravel oder gar ein Bikepacking-Event. Es geht schon mal über Schotter für paar Kilometer, das gehört bei Brevets dazu. Zu wenig im Anteil, um hier mit einem echten Gravel-Bike zu kommen. Die Route führt von München über den Fernpass via Claudia Augusta und den Reschenpass nach Italien. Am Reschensee vorbei, durch das wunderschöne Vinschau nach Meran. Von Bozen bis zum Gardasee und durch die Emilia Romagna bis nach Ferrara – einer der schönsten Plätze, die ich kenne. Abgesehen von ein paar Schotterpassagen ganz klar überwiegend Road. Fahrbar mit dem reinen Rennrad. Oder ein Gravel-Bike mit Slicks, alles andere ist hier nicht nötig.

Ich kann dieses Brevet besonders für Rookies empfehlen, weil der Rando Imperator ein guter Einstieg in die 600 km Distanz ist. Nicht sonderlich grob im Kurs, je nach Wetterlage nur ein bisschen wild zu fahren 😉 Im Mai über die Alpen mit dem Rad heisst eben oft hässliches Wetter mit Regen und manchmal auch Schnee. Trotzdem – der Rando ist für mich eine Herzenssache, seit ich 2016 das erste Mal dort gestartet bin. Seitdem starte ich jedes Jahr dort bei Simone. Es ist etwas Besonders für mich, im großen Zirkus der Veranstaltungen. Daher hat es auch ganz gut gepasst, das ich meinen allerersten DNF seit ich auf der Langstrecke fahre, hier bei Simone erleben konnte, musste, sollte. Ich kann mich noch gut an CP 1 am Fernpass erinnern. Schweren Herzens habe ich mich von Simone, von Linda und den anderen dort verabschieden müssen. Mit einer kleine Träne im Auge, bin ich wieder zurück nach Garmisch gerollt und dort in den Zug gestiegen. So what! Irgendwann ist immer das erste Mal. Starten werden ich dort auch 2020 wieder – also eine klare Empfehlung von mir.

www.witoor.com 


Schottergaudi 200

Das hat echt richtig Spaß gemacht bei Ralph! Schon beim Frühstück wurde richtig gut aufgefahren 🙂 da merkt man eben, was ein echter Guide ist – und dazu ist Ralph ein guter Kerl, der btw selbst einen Blog unter www.kurbelfest.de betreibt. Der Kurs verlief von Murnau aus an der Zugspitze vorbei, nach Ehrwald und hoch zum Wetterstein. Über Mittenwald zum Karwendelhaus hoch. Von dort die geilste Abfahrt ever mit dem Gravel-Bike und wieder zurück nach Murnau.

Sehr gut ausgearbeitete Route von Ralph, lustigen Tag zusammen mit Mike und Ralph auf dem Rad verbracht. Wir hatten echt dermaßen geile Schotterpisten, sowas bin ich lange nicht gefahren. Endlos lang, staubig und trocken! Klar, Alpen, sind ja auch genug Steine hier. Eine sehr gute Mischung von allem, was ein Gravel-Event im Kurs auszeichnet.

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Eifel Graveller 650 KM

650 km durch die Eifel – „Wer hat mich geritten, mich hier anzumelden?“ ging mir am ersten Tag als Gedanke durch den Kopf – mehrmals. Vielleicht habe ich das Ganze ein wenig überstürzt, habe mich schliesslich spontan 2 Tage vorher angemeldet. Nicht groß vorbereitet, ich wollte das Ding in zwei Teilen fahren, also überschaubar in der Zeit. Und ich habe mein Gravel-Bike bekommen, das wollte ich dort testen. Blöderweise kam ich natürlich auch mit der Gravel-Konfiguration, mit 700er-Laufräder, nicht gerade viel Profil auf den Nanos und einer Übersetzung, die für Mittelgebirgsfahrten bisher immer ausreichend war. Wie üblich, fast kein Gepäck. Ich schlafe nicht viel bei Langstrecken-Events und vor allem nicht im Wald. Daher benötige ich grundsätzlich nicht viel Gepäck am Rad. Bereits am Samstag bei Ankunft ist mir jedoch dort in Klotten aufgefallen, dass das Ganze hier wohl eher Bikepacking-Charakter hat. Na ja, auch egal, jetzt bin ich da, jetzt starte ich auch, dachte ich mir. Was soll passieren. Ich bin 2016 mit dem Cervelo über die Alpen, auf der Claudia Augusta. Im Regen, auf Schotter, im Dreck. Auf 23er Contis. Rückblickend betrachtet waren beide Events nicht zu vergleichen.

Der Veranstalter Holger macht sich sehr viel Mühe, man spürt viel Lokalpatriotismus, Heimatliebe und viel Gastfreundschaft bei ihm. Und anscheinend kennt er jeden Stein und jeden Baum dort in der Eifel 🙂 Hier klebt nur das falsche Label auf der Veranstaltung. Der Eifel-Graveller ist ganz klar ein Bikepacking-Event, gefahren auf anspruchsvollen Trails, eher wenig Schotter, mehr Wald- und Wiesenwege. Für Nachtfahrten nur bedingt zu empfehlen. Viele schöne Sehenswürdigkeiten auf der Strecke. Hier würde ich aber nur mit einer Ausstattung für grobes Gelände wieder kommen, denkbar auch mit MTB. Vielleicht starte ich auch gerade in der falschen Disziplin, wenn ich das alles sportlich angehen will. Hier bin ich auf jeden Fall sang- und klanglos untergegangen, nach ca. 250 km bin ich raus. 2018 hat mich viele Federn gekostet, so richtig gesund war ich an diesen Tagen auch nicht. Das alles zusammen hat mich am zweiten Tag erschlagen und ich verzeichnete für 2019 meinen zweiten DNF. Da fährst du seit 2014 ohne Ausfall auf Langstrecke und dann gleich 2 mal in einem Jahr. Auch hier – so what!

www.eifel-graveller.de


Frankfurter Greffelründsche 300 KM

303 KM Gravel-Wirr-Warr rund um Frankfurt – so beschreibt Ken seinen Event. Das trifft es am besten. Viel Schotter, viele Feld- und Waldwege, auch Asphalt im richtigen Anteil, wenn wir beim Label „Gravel“ bleiben wollen. Die 300 km an einem Tag zu fahren, macht einen echten Gravel-Event aus. Meist unterwegs in Sichtweite der Skyline von Frankfurt. Sportliches Tempo. Das fand ich schon sehr cool und auch sehr abwechslungsreich. Es war nie langweilig. Genau so habe ich mir das vorgestellt, mal im Schnelldurchlauf die Gegend rund um Frankfurt erkunden. Teilweise sehr tricky, weil viel hin und her, rechts und links, hier im Dunkeln durch den Busch 🙂 eine echte Herausforderung für das Routing. Für mich der Reiz daran. Verrückter Kurs, auch hier wieder mit Ken ein vorbildlicher Veranstalter, der für seine Sache brennt. Ich werde dort 2020 auch wieder starten.

www.greffelruendsche.de


Holy Gravel 555 KM oder 666 KM, real aber 690

Ja, wieder ein Gravel-Event. Irgendwas um 700 km lang. Es gab zwei Kurse, ich habe mich für den langen Kurs entschieden. Von Hamburg bis Fehmarn hoch, einmal die Insel umrunden und über Kiel und Eckernförde wieder zurück nach Hamburg. Ich habe das Event sportlich gefahren und war recht schnell zurück in Hamburg. Ich bin die erste Nacht durchgefahren. Und den darauf kommenden Tag. 500 km am Stück. Dann kam am Abend der Regen und die Kälte. In Eckernförde hatte ich ein paar Stunden Schlaf und Wärme. Im Dunkeln während der Nacht machte ich mich wieder auf. Bei ca. 80 km vor Hamburg hatte ich genug von Matsch und Dreck, das ständige Säubern des Rades kostet mir zu viel Zeit. Und so entschied ich mich die letzten Kilometer auf Radwegen und Asphalt zu fahren. War ja auch egal, irgendwie ist eh jeder gefahren, wie er lustig war 🙂

Der Holy Gravel hatte für mich wieder Bikepacking-Charakter. Die Teilnehmer fahren gemütlich, bei Einbruch der Dunkelheit bzw. in der Nacht haben wohl die meisten Fahrer im Freien geschlafen, hatte Zelte und Schlafsäcke dabei. Wohl gemerkt, es war Anfang November 🙂 Ich hatte wieder mal nichts dabei. Nur meine Satteltasche und dem Wetter wegen eine Gore-Jacke am Lenker in der kleinen Rolle. Und es wurde nass und es wurde kalt, mit Wind und nebenbei ständig das Geräusch in den Ohren, von schleifenden Lagern und Bremsen von Sand und Dreck. Dafür wirklich ein schöner Kurs, eine lange Zeit am Meer entlang – und eben viel Sand. Überraschend viele Anstiege, einige schöne Hügel, viele Seen. Über den Veranstalter selbst kann ich nicht viel sagen, ich habe ihn nur am ersten Tag kurz auf dem Kurs gesehen. In der dort üblichen Art der Menschen nicht sehr gesprächig. Landschaftlich gesehen war das was Neues für mich und ich wäre auch gerne 2020 wieder dabei, leider überschneidet sich aber der Termin mit meiner Teilnahme am Three Peaks Bike Race. Dafür habe ich mich bereits für den Hanse Gravel angemeldet. Es hat mir nämlich im Norden ganz gut gefallen.

Bericht dazu hier

www.holygravel.de


 

Abschließend:

Vielleicht kann der eine oder andere in meinem Beitrag hier zwischen den Zeilen lesen. Das ich mir gerade viele Gedanken mache, über die Keywords „Gravel“ und „Bikepacking“ und deren Ausrichtung auf das Event selbst. Die Bezeichnung wird mir oft zu “unscharf” eingesetzt – oft auch platziert von Marketing-Profis – was die die Sache nicht besser macht. Dabei wäre eine klare Abgrenzung der beiden Keywords sicher hilfreich für die Teilnehmer. Was für eine Panne, wenn sich der Kurs dann als zu anspruchsvoll eröffnet und du mit der falschen Konfiguration an deinem Gravel-Bike hier bist. Und gehen wir davon aus, dass die meisten Gravel-Biker aktuell direkt vom Rennrad kommen  – ohne große MTB-Skills. Dann kannst du diesen Teilnehmer meiner Ansicht nach nicht durch zu anspruchsvolles Gelände schicken. Besonders nicht, wenn die Veranstaltung aufgrund der langen Distanz auch Nachtfahrten beinhaltet.

Für mich habe ich klare Definition gefunden – auch wegen Bikepacking Franconia, das wir hier in Franken veranstalten und wir dadurch die Rolle eines Experten übernehmen müssen. Lese ich Gravel, sollte ich im Kurs auch Gravel-Charakter finden. Ein Gravel-Event, annähernd wie es im Ursprung entstanden ist; mehr Race-Charakter, dafür aber keine extremen Distanzen, überwiegend auf Schotter, schnell. Für mich macht es überhaupt keinen Sinn, mehr als 250 km für einen Gravel-Event anzubieten. Wo willst du das auf Stein und Schotter hier bei uns fahren? Wir sitzen zwar auf einem riesigen Stein 😉 aber so groß ist er dann doch nicht. Da aber gerade alles in einem Topf landet, wird das Event wild mit diesen Keywords gelabelt. Meine Definition von Bikepacking: Adventure, lange Distanz, grobes und schwieriges Gelände, schlafen im Freien, eher MTB-Routen, mit Divide-Charakter.

Das ist meine eigene Meinung dazu. Nicht richtig, oder als falsch zu bewerten. Es sind alles nur Gedanken, ich schreibe sicher kein Regelwerk darüber. Wie schon einleitend geschrieben, es entwickelt sich gerade vieles Neues. Das gefällt mir und das ist gut so. Wer sich entwickeln will, braucht Freiheiten, wenig Einschränkungen, wenig Regeln, manchmal auch ein wenig Chaos. Ich fordere auch nicht ein Umdenken. Ich wünsche mir nur eine genauere und aussagekräftigere Titelbezeichnung für eine Veranstaltung. That‘s all.