Rampen hoch – Rampen runter! 😄 Zypressen und Weinberge 💚 mit Bilderbuch-Kulisse.

Das war die L’Eroica 2022 🇼đŸ‡č
Eines der verrĂŒcktesten und hĂ€rtesten Retro-Radrennen.

„Eroica“ stammt aus dem Italienischen und bedeutet „heldenhaft“ – und das beschreibt ziemlich genau, wie die Radfahrer die HĂŒgel der Toskana bezwingen mĂŒssen. Auf 5 unterschiedliche Strecken, 46, 81, 106, 135 und 209 Kilometer. Alle 5 Kurse haben es in sich. Die schwer zu befahrenen Schotterstraßen schlĂ€ngeln sich mit bis zu 20-prozentiger Steigung durch die wunderschöne Landschaft der Toskana. Bei der lĂ€ngsten Strecke sind insgesamt rund 3900 Höhenmeter zu bewĂ€ltigen.

Es war fĂŒr mich eine spontane Entscheidung. Im Rahmen meiner Italien-Reise, bei der ich einige Events besucht hatte, wie z.B. das Italian Bike Festival in Rimini, FARGRAVEL in Argenta, die UCI Gravel World Championsship (Berichte folgen) kam ich auch in den Genuss das legendĂ€re Retro-Jedermannrennen in Gaiole in der Toskana zu besuchen. Das ich dann selbst die 135 Kilometer gefahren bin, entschied ich auch spontan, nach dem alle Starter sich am Samstag morgen bereits auf den Weg gemacht haben. Eine offizielle Teilnahme war fĂŒr mich nicht möglich, da ich nur mein „hochmodernes“ Gravelbike dabei hatte. Und so folgte ich als Ghostrider dem Fahrerfeld. Die Eroica ist ein Event ausschliesslich fĂŒr klassische RennrĂ€der oder klassisch aussehende RennrĂ€der und Fahrer mit klassischer oder klassisch aussehender Fahrradbekleidung. Das traf dann bei mir eher weniger zu 🙂

Die Regeln der Eroica

Neben dem Alter des Fahrrads (Herstellungsdatum vor 1987) und einigen Empfehlungen gibt es weitere zusÀtzliche Reglements der Rennleitung, die wichtigsten davon hier aufgelistet:

  • RennrĂ€der sollten ĂŒber außen liegende ZĂŒge und Schalthebel, die am Unterrohr angebracht sind, verfĂŒgen.
  • FĂŒr die vier lĂ€ngsten Strecken ist ein medizinischer Nachweis fĂŒr das „kompetitive Radfahren“ notwendig, fĂŒr die kĂŒrzeste reicht eine allgemeine Bescheinigung.
  • Teilnehmer mĂŒssen 15 Jahre oder Ă€lter sein.
  • Die Mitgliedschaft im Radsportverband U.C.I. ist fĂŒr internationale Teilnehmer zwingend.
  • Sollten Teilnehmer keine Vintage-Kleidung bzw. daran angelehnte Trikots und Jerseys tragen, ist eine Disqualifikation möglich.
  • Von dieser Regelung ausgenommen sind moderne Schutzhelme, die die Rennleitung auch empfiehlt.
  • Teilnehmer mĂŒssen ein Reparaturkit fĂŒr unterwegs mitfĂŒhren.

Gaiole in Chianti

Gaiole ist eher ein verschlafenes Örtchen, gelegen im Weinbaugebiet Chianti in der Toskana. Round about 2.800 Einwohner, ein FahrradgeschĂ€ft, einige Restaurants, ein paar Cafes. Doch an diesem Wochenende brennt hier wirklich die Luft. Der Ort platzt aus allen NĂ€hten, die Festivalstimmung ist verteilt sich durch den kompletten Ort. Aus der ganzen Welt kommen hier Fahrrad-Enthusiasten und Fahrrad-VerrĂŒckte, um hier gemeinsam auf den Kurs zu gehen. Mit ihren Retro-RennrĂ€dern auf Schotterstraßen ĂŒber die „strade bianche“. Auf unbefestigten Wegen mit Anstiegen von bis zu 20 Prozent.

Startzeit: 05.00 Uhr – mitten in der Nacht!

Der Start am Samstag erfolge in einer fĂŒr mich eher unchristlichen Zeit. Genau um 5:00 Uhr in der FrĂŒh machen sich die ersten Teilnehmer auf den Weg. Als erstes starten die Fahrer fĂŒr die 209 Kilometer, gefolgt von den Startern ĂŒber die 135 Kilometer. Gegen 8 Uhr befanden sich dann alle Teilnehmer auf dem Kurs. Zu dem Zeitpunkt dachte ich noch, ich fahre heute nach Siena mit dem Rad – einer der schönsten Orte in der Toskana. Aber eben auf dem Kurs der 135 KM, folgend den Teilnehmern. In Siena angekommen entschied ich mich dann doch weiter zu fahren. Und wie es kommen musste, ich blieb auf dem Kurs, folgte diesen Helden bis ins Ziel. Ohne Wertung, ohne mich an den Verpflegungsstellen aufzuhalten oder mich dort zu versorgen, als nicht zugelassener Fahrer war ich unsupported unterwegs. Vielleicht wĂ€re es auch gut gewesen, ich hĂ€tte mir den einen oder anderen Riegel in die Trikottasche gesteckt. Es war trotzdem kein Problem fĂŒr mich, unterwegs die Möglichkeiten einer Versorgung in Bars oder Cafes zu nutzen.

Romantisch und erbarmungslos hart

So romantisch dieser Event auch erscheinen mag, die Eroica ist ein ziemlich harter und manchmal auch gefĂ€hrlicher Kurs mit heftigen Anstiegen und sehr schnellen Abfahrten, wie zum Beispiel die „3 Schwestern“, eine Reihe von ausgesprochen brutalen und kaum fahrbaren HĂŒgeln. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie oft ich Fahrer mit Ihren RĂ€dern am Rand der Straße stehen sah, mit Pannen, oder nach StĂŒrzen. Ein Sturz direkt neben mir in einer Abfahrt. Der arme Kerl dachte, er muss hier das gleiche Tempo wie ich fahren und wĂ€hrend er mich rechts ĂŒberholen wollte, zog sein Vorderrad zur Seite und er prallte hart auf den Schotter. Verwundert darĂŒber, dass trotzdem einige der Teilnehmer an ihm vorbei fuhren, zog ich die Bremse und half dem armen Mann wieder auf die Beine zu kommen. Die Fahrt selbst war aber vorbei fĂŒr ihn. Auch in Siena sah ich einen in zwei Teile gebrochenen Stahlrahmen in der Kreuzung liegen, wĂ€hrend Gendarmerie und Ambulance den Unfallort sicherte. Kein schöner Anblick.

Das toskanische HĂŒgelpanorama ist wunderschön, kein Zweifel – aber die Teilnehmer der Eroica mĂŒssen tatsĂ€chlich schwer leiden. Vor idyllischer Kulisse kĂ€mpfen sie um jeden Kilometer, schinden sich an jeder Steigung, die meisten Fahrer steigen ab und schieben ihre StahlrĂ€der. Zeitmessung gibt es ja keine. Es geht vielmehr darum, möglichst heldengleich ins Ziel zu kommen. An den Verpflegunsstationen machen die Radfahrer bei Rotwein und toskanischen SpezialitĂ€ten ihre Pausen, um sich fĂŒr die kommenden Streckenabschnitte zu stĂ€rken.

Im Ziel kommt der Himmel

Erst am Ende der Strecke wird es ebener. Die letzten ca. 25 Kilometer fĂŒhren ĂŒber typisch italienische Asphaltstraßen. Nicht im besten Zustand, nicht wirklich zum rollen geeignet. Doch hier entschĂ€digt der unglaubliche schöne Ausblick in Richtung Gaiole. Am Straßenrand warten viele Schaulustige und beklatschen diese Helden. Mit ihren abgekĂ€mpften, aber fröhlichen Gesichtern. Die Restaurants fĂŒllen sich am Abend, es wird mit Bier und Wein angestossen und es wird geraucht.

Alles in allem ist die Eroica ein sehr schönes Festival-Event, man fĂŒhlt sich ein wenig in der Zeit zurĂŒck gereist. Und wer weiß – vielleicht kann ich hier eines Tages auch offiziell teilnehmen.

https://eroica.cc/de

Mein gefahrener Kurs ĂŒber die 135 Kilometer hier bei Strava.

Impressionen