1500 Riders
1400 km
5 days in summer
Vorgeschichte
Bevor ich über die eigentliche Tour schreibe, möchte ich erst noch auf zwei Punkte eingehen, welche sich vorher ereigneten aber letztendlich eine gewisse Bedeutung haben.
Als ich mehrere Wochen vor der Tour die Fähre buchte, diskutierte ich mit meiner Frau Bianca über die AGB’s der Fähre zur Überfahrt. Hier stand beschrieben, dass ich mit diesem Ticket auch die Möglichkeit hätte eine Fähre früher oder später zu nehmen. Was heisst hier eine? Eine im Sinne der Zahl 1 oder im Sinne von irgendeiner? Die Auflösung kommt später.
Der zweite Punkt war Tage vor Abfahrt als ich meine Satteltasche packte. Bianca hatte die Idee in meine Tüte doch ein komplette Wechselgarnitur zu packen. Echt jetzt? Ja und das Gewicht? Egal, also rein mit dem Zeug. Letztlich habe ich dafür auf eine zusätzliche Windjacke verzichtet.
Anreise und erster Abend
Ich fahre um 7:30 in Schweinfurt los, um mich um 10:00 mit Fiona meiner Mitfahrerin in Frankfurt zu treffen. Gemeinsam fahren wir dann bis Calais zu Fähre, wo wir ohne grössere Staus dann gg. 18:00 ankommen.
Nun löst sich auch das Rätsel der Bedeutung von „einer“. Hier bedeutet es 53€ extra für die Hinfahrt, weil eben nicht irgendeine Fähre gemeint war. Also hätte ich vielleicht das nächste Mal die englische Seite betrachten sollen. Naja, bis morgen warten wollen wir aber auch nicht.
Nach Ankunft in Dover haben wir noch eine sehr realistische Chance den Zeltplatz Debden House vor 22:00 zu erreichen, also auf. Um 21:30 sind wir dann auch vor Ort, bauen im Dunklen unser Zelt auf und richten es ein.
Neben uns zeltet Ivo Miesen, ein Randonneur Urgestein, welcher alle bisherigen Auflagen von LEL mitgefahren ist. Mit ihm fahren wir dann noch in die Stadt um zu Abend zu essen. Es wird ein Take-Away-Inder. Über die Strasse ist noch ein Supermarkt also ist auch für das Frühstück gesorgt.
Wieder im Zelt müssen wir feststellen wie scharf indisches Essen sein kann. Ich gebe nach 5 min auf, Fiona und Ivo kämpfen sich weiter vor. Danach war erst einmal Schlafen angesagt. Immer mal wieder kam in dieser Nacht ein Regenschauer.
Tag der Anmeldung
So, heute müssen wir uns anmelden! Nach dem Frühstück gehen wir gemeinsam in die Schule zur Anmeldung. Unterwegs treffen wir einen Engländer welcher LEL schon öfter mitgefahren ist und welcher immer wieder betont wie langsam er doch auf der Strecke ist.
Die Anmeldung ist schnell geschehen. Zwar steht der ganze Vorplatz der Schule voll mit Leuten, aber routiniert werden diese abgearbeitet. Nach der Anmeldung und dem Aufgeben der Bag-Drops, treffen wir auch Jan mit welchem ich schön öfter in Treuchtlingen gefahren bin. Vor dem Gebäude sitzen noch Volker und Klaus-Peter auf verschiedenen Bänken, welche wir dann auch gleich begrüssen. Fast wie ein Klassentreffen. Volker ist Raucher. Bei den Brevets in Treuchtlingen findet man ihn immer in den Raucherecken. Daher fragen wir ihn gleicht einmal wie viele Stangen Zigaretten Volker in seinem Bag-Drops hat – er lacht nur.
Also zurück zum Zeltplatz, wo Fiona noch etwas Probleme mit ihrer Lenkertaschenhalterung hat. Irgendwie bleibt das Ding nicht in Position. Fiona beginnt zu prüfen, welche Gepäckstücke mit in die Satteltasche könne und welche komplett da bleiben. Zufrieden ist sie damit aber auch nicht, wie auch. Die Navigation müsste mit einem Tag Vorbereitung komplett umgestellt werden und das Essen müsste auch da bleiben.
Mittlerweile ist auch Jan bei uns am Zeltplatz. Er leiht mir seinen Forumslader. Ein Powerpack mit 2 USB-Anschlüssen, welchen wir nutzen um unsere Smartphones zu laden. Im Gegenzug bekommt er am Abend meinen Photo, da sein Photo nicht via USB geladen werden kann, meiner aber schon. Da die Akkus die gleichen Modelle sind, passt das prima.
Am Abend wollen wir uns dann noch zum gemeinsamen Abendessen treffen. Jetzt will Jan erst einmal noch zu seiner Unterkunft.Keine 20min später ruft er mich an, dass er gerade einen Unfall hatte und das Rad nicht mehr richtig funktionierte.
Während Fiona weiter an ihrem Rad bastelt sucht Jan zwei Radläden auf und versucht sein Problem zu lösen. Am Ende stellt sich heraus das der Bremsschalthebel defekt ist. Bei hydraulischer Scheibenbremse natürlich der Supergau, also wurde der Schaltzug festgestellt und Jan hatte nur noch zwei Gänge für die nächsten Tage.
Am Abend essen wir noch gemeinsam beim Italiener Pizza bzw. Spagetti.
Heute wird es Ernst – Starttag
Nach einer Nacht mit Regen und Gewitter habe ich knappe 4h geschlafen, also beste Vorraussetzungen. Am frühen Morgen bringt Ivo die Lösung von Fionas Problemen. Mit einem Bremszug bastelt er eine funktionierende Halterung. Er klärt auch gleich mit dem Mechaniker der ersten Kontrolle die weiteren erforderlichen Arbeiten ab – Läuft! Am Morgen treffe ich auch noch Jochen, ein weiterer Bekannter aus der Treuchtlinger Gruppe.
Jan kommt am Morgen auch am Zeltplatz an, wir wollen gemeinsam zum Start. Jan startet 13:30, Fiona 14:45 und ich um 15:00.
Um 12:00 wollen wir runter zum Startessen, aber ich finde meine eine Banane einfach nicht mehr, gegessen, verlegt, was auch immer.
Wir fahren gemeinsam an den Start und geben uns das Essen – Truthahnburger mit Salat und Pommes. Beim Essen treffen wir noch Uwe, ebenfalls Raucher welcher meist neben Volker in der Raucherecke steht. Er startet zwischen Jan und Fiona und ich gebe Jan max. 200km bis ihn Uwe eingeholt hat. Er fährt ein gutes Tempo und bei Jan ist bei 25km/h Schluss.
Nach dem Start von Jan fahre ich noch einmal zu Zeltplatz, die fehlende Banane lässt mich nicht los. Und auf ein Auto in welchem 5 Tage eine Banane lag habe ich keine Lust. Ich durchsuche noch einmal Auto und Zelt finde sie aber nicht, werde sie also wohl gegessen haben.
Am Start unterhalte ich mich noch etwas mit einem weiteren deutschen Fahrer welcher um 14:30 startet.
Start bis Louth
Jetzt geht es los -15:00. Von Beginn an halte ich mich hinten auf, ich will mich aus dem Startstress heraus halten und die Strecke ist ja lang genug 😉 Ein Italiener vor mir versucht seine Nervosität durch singen von Queen – I want to ride my bicycle zu überspielen, gut Funktionieren tut dies jedoch nicht. Wellig geht es aus Loughton heraus und ehe ich mich versehe bin ich letzter meiner Gruppe. Auch der Engländer vom Tag vorher ist enteilt. Leicht verdutzt begebe ich mich auf die ersten Kilometer und besinne mich auf meiner Stärke, gleichmässiges Tempo bei hoher Trittfrequenz.
So geht es dann auch Kilometer um Kilometer dahin. Ich fahre gemütlich und mache Fotos. Nach ca. 2h geht es los, dass ich die Ersten meiner Gruppe wieder einhole und überhole. So bleibt es dann auch bis zur 1. Kontrolle. Kurz vor dieser kommt noch ein kleiner Regenschauer aber Regensachen bleiben aus, ich bin Optimist.
In St. Ives befindet sich die erste Kontrolle. Flasche voll, Stempelt und weiter.
Das nächste Teilstück führt nach Spalding. Hier gibt es nicht viel zu erzählen. Nach der Vorbeifahrt an einer RAF-Base geht es fast kerzengerade nach Norden. Ich muss aufpassen wegen dem Rückenwind nicht zu übertreiben, der Tacho steht meist bei über 30km/h. Kurz vor der Kontrolle geht es noch ein wenig am Deich entlang. Hier wollen sich 4 Fahrer welche ich kurz vorher überholt habe nicht geschlagen geben und überholen zurück. Wenn sie meinen, sollen sie doch!
In der Kontrolle esse ich nach dem Stempeln eine Ofenkartoffel und etwas Erbsensuppe, fülle die Flaschen auf und fahre weiter.
Mittlerweile ist die Nacht da. Ich fahre flach weiter in Richtung von Louth. Zu Beginn treffe ich einen Fahrer aus Stralsund. Er hat gerade einen Sturz gehabt und flucht nun entsprechend in der Gegend herum. Er hat einen Start mit Betreuung gebucht. Dies bedeutet er kann an jeder Kontrolle auf Kleidung, Verpflegung und Material zugreifen, er spart also mächtig Gewicht. Daher fahren wir auch nicht lange gemeinsam, ich bin ihm schlicht zu langsam mit meinem 15kg Esel.
Der Grossteil der folgenden Strecke ist flach. Ab und zu kommt ein Bahnübergang oder eine Kurve und bringt etwas Abwechslung in meine Fahrt. Immer wieder überhole ich andere Fahrer. Speziell die Asiaten fahren fast alle mit Had-Tuch vor dem Gesicht, die Jungs frieren bei den 15°C.
An einer Kreuzung dann plötzlich stehende Autos und ein Rad auf der Strasse! Bitte nicht! Zum Glück ist nicht viel passiert. Ein Fahrer hat an der Kreuzung einen Randstein übersehen und ist daran hängen geblieben. Die Autos haben „nur“ angehalten um ihn nicht noch weiter zu gefährden.
Es geht also weiter. Mittlerweile befindet sich in meinem Windschatten ein Fahrer mit einem recht nervigen Fahrstil. 5-6x Treten und dann Rollen lassen. In Kombination mit seinem lauten Freilauf werde ich fast wahnsinnig und freue mich über die ersten Buckel dieser Nacht. Diese sind meist 30-50hm und gefolgt von einer Abfahrt welche alle Höhenmeter wieder vernichtet.
Mittlerweile fahre ich wieder alleine dahin und versuche die Konzentration hoch zu halten. Ohne Mitfahrer gestaltet sich dies jedoch schwierig, also fange ich an die Lieder meiner Kinder zu Singen. Und so kommt es, dass in dieser Nacht in den Wäldern Englands ein grünes Fahrrad gesichtet wird, dessen Fahrer Lieder wie „Biene Maja“, „Auf der Mauer auf der Lauer“ und „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ singt. Hauptsache das Hirn ist beschäftigt und man schläft nicht ein.
In der zweiten Nachthälfte erreiche ich dann Louth. Schlafgelegenheiten gibt es offensichtlich keine mehr, die Leute liegen überall wo Platz ist, unter Tischen, auf Tischen und vor der Toilettentür.
Essen gibt es auch gerade keins, dafür wird die Theke geputzt. Ich solle in 30min wieder kommen. Hallo, geht es noch? Zum Glück dauert es nur 10min welche ich mir mit Flaschen auffüllen und kaufen eines Schokoriegels vertreibe. Obst und Riegel für unterwegs gibt es nämlich auch nicht mehr.
Zu meiner Pasta gibt es noch einen Instant-Kaffee welchen ich mit 3 Löffeln hoffnungslos überdosiere. Während des Essens treffe ich auch Herbert wieder. Den weiteren deutschen Starter mit welchem ich mich am Start unterhalten habe. Von den restlichen Bekannten treffe ich hier niemand.
Gemeinsam mit Herbert fahre ich weiter.
Louth bis Brampton
Endlich nicht mehr alleine! Das Tempo passt auch mehr oder weniger. Herbert ist meist an den Bergen stärker. Während wir uns über den bisherigen Tourverlauf unterhalten geht es hügelig dem ersten Highlight entgegen. Vorher geht es über die Höhen vorbei an weiteren Flugfeldern und einer Hubschrauberfirma bis wir in der Ferne schon die Pfeiler der Humber Bridge sehen. Geil, die Sonne geht auf und wir sind hier! Vorher kommt noch eine längere Abfahrt. In einem Hof auf der linken Seite schlafen mehrere Radfahrer. Vermutlich wollen auch diese die Bücke im Tageslicht überqueren. Vor der Überquerung der Brücke machen wir auf einer Bank noch eine kurze Pause gemeinsam mit mehreren Franzosen. Jetzt fahren wir weiter in den Ort und in einer Kurve sitzen plötzlich ca. 20 Radfahrer auf dem Gehsteig vor einem Laden. Auch wenn wir gerade einen Stop hatten, halten wir an und decken uns mit Riegeln und Bananen ein. Ein Kaffee ist auch noch drin.
Jetzt aber ab auf die Brücke. Imposant! Für die Überfahrt brauchen wir bestimmt 20 Minuten. Immer wieder halten wir an und Staunen bzw. machen Fotos. Unten sieht man das gerade Ebbe ist.
Auf der anderen Seite der Brücke ist es schwierig weg zu kommen, durch einen Park und ein Wohngebiet verläuft der richtige Weg. Hügelig geht es weiter in Richtung Pocklington. Es zeigt sich, dass das Tempo zwischen Herbert und mir eben doch nicht so perfekt harmoniert. Irgendeiner kämpft immer mit dem Tempo des Anderen und die Erfahrung zeigt, dass dies auf Dauer nicht gut geht. Kurz vor Pocklington dann noch die Hölle – eine englische Landstrasse im Berufsverkehr. Autos und Lastwagen überholen mit hohem Tempo und wenig Sicherheitsabstand. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir dann endlich Pocklington.
Hier liegt auch mein erster Bag-Drop diesen will ich jedoch erst auf dem Rückweg nutzen.
Zum ersten Mal treffe ich Jan, welcher jedoch schon wieder im Aufbruch ist. Gemeinsam mit Herbert frühstücke ich erst einmal anständig. Lange will ich mich jedoch nicht aufhalten. Mein Plan ist heute noch Brampton zu erreichen. Ich verabschiede mich, schweren Herzens, von Herbert und fahre langsam weiter. Während dem Rausgehen, treffe ich auf Fiona, sie hat in Louth kurz geschlafen.
Das nächste Teilstück ist sehr schön, auf kleinen Strassen sowie Feldwegen geht es Thirsk entgegen. Hoch, Runter, Links und Rechts. Ab und zu überhole ich andere Fahrer, von hinten kommt kaum noch jemand. Mit einem Start um 15:00 kamen noch 160 Fahrer hinter mir. Die Meisten waren oder sind vor mir.
Auf halber Strecke passiere ich Castle Howard, welches in einem englischen Schutzgebiet für ausserordentliche Naturschönheit liegt, vollkommen zu Recht.
Kurze Zeit später bin ich dann auch in Thirsk. Hier treffe ich Jan wieder und wir beschliessen ein Stück gemeinsam zu fahren. Leider ist das Tempo von Jan für mich jedoch zu ungleichmässig und ich lasse mich zurück fallen. Wir machen aus uns in Barnard Castle wieder zu treffen und es geht wellig weiter zum Schloss. Kurz vor dem Schloss laufe ich auf verschiedene andere Fahrer auf. Einer davon ist Hendrik, ein Randonneur aus dem Rheinland. Er hat sich auch aus seiner Gruppe zurück fallen lassen, um Kräfte zu sparen, kluger Gedanke. Damit uns nicht hier wieder das Gleiche passiert, fahren wir getrennt weiter. Mittlerweile hat sich unsere Fahrtrichtung gedreht und wir erhalten das erste Mal einen Eindruck vom englischen Wind. Ich überhole einen englischen Fahrer mit Nostalgierad der nach kurzem Blickkontakt sagt: „This wind! Turn off this wind!“ Schon bin ich in Barnard Castle. Schön, einfach nur schön. In diesem ehrwürdigem Schulgebäude befindet sich also die nächste Kontrolle.
Drin dann das ewige Spiel, Stempeln, Essen, Flasche voll und weiter. Beim Essen treffe ich neben Jan und Hendrik auch dessen Mitfahrer Felix und noch weitere Randonneure aus dem Rheinland.
Da sich meine Beine nicht mehr wirklich gut anfühlen, will ich langsam vor rollen. Die Jungs werden mich schon wieder einholen.
Jetzt kommt Yad Moss. Im Berg ist jeder für sich und jetzt kommt Einer mit 20km und 500hm. Auf dem Papier nicht viel, aber mit 470km in den Beinen schon eine Ansage.
Der Pass geht zäh los und bleibt es auch, immer 1-3% sind nicht wirklich meine Welt. Ich fotografiere viel und lauf etwa auf der Hälfte auf einen Engländer auf mit welchem ich den Rest der Auffahrt gemeinsam verbringe. Der Pass ist lang und flach, Oben ist es kalt und nass von dem Regen der kurz zuvor über den Pass hinweg gezogen ist. Ich erfahre, dass es hier am Berg sogar ein Skigebiet gibt. Dieses werde ich dann in der Abfahrt sehen.
Die Abfahrt vom Pass ist schnell und gerade. Zwischendrin kommt ein kurzer Gegenanstieg. Hier verliert sich der Kontakt zu meinem englischen Mitfahrer, aber ich will nicht warten. Es sind noch 25km, es wird bald dunkel und ich bin jetzt wirklich müde.
So fahre ich weiter den Berg hinab. Immer wieder unterbrochen von kurzen Gegensteigungen welche im Höhenprofil auf meinem Garmin nicht zu sehen sind, aber meine Beine spüren sie deutlich. Kurz nach Alston laufe ich auf einen russischen Fahrer auf. Alex ist bereits um 9:15 gestartet und hat in Louth geschlafen. Er ist beeindruckt von meiner „Time in Hand“ weil seine, durch die lange Pause, bereits auf 3h geschrumpft ist. Hier kommen uns jetzt schon die ersten Fahrer entgegen. Was für ein Tempo müssen die haben um schon fast 300km Vorsprung zu besitzen, ich bin echt beeindruckt. Plaudernd fahren wir gemeinsam die letzten Wellen bis Brampton wo ich jetzt endgültig Schlafen will. Nach 560km reicht es langsam.
Beim Essen unterhalte ich mich mit einem der freiwilligen Helfer. Er ist aus Frankreich und möchte sich durch die Hilfe einen Startplatz für 2021 garantieren. Das Abendessen sind Nudeln mit Hackfleisch und Käse. Ich hole 2x nach, dann wird geduscht. Hier zeigt sich, wie gut die Idee von Bianca mit den Wechselklamotten war. Mein Bag-Drop liegt in Edinburgh, durch meine Wechselsachen kann ich jedoch trotzdem einen neuen Satz anziehen und werde morgen in Edinburgh dann einfach die Sachen in der Tüte tauschen. Welch ein Luxus.
Die Betten bedürfen Wartezeit, jedoch empfiehlt mir einer der Helfer die Lounge. Da gibt es ein paar Sitzbänke und Sessel, jedoch muss man sich selber wecken. Dann eben dort, Hauptsache Augen zu und erholen. Mit zwei Hockern und der Sitzbank baue ich mir eine Art Bett, so dass ich auch auf der Seite liegen kann, ohne herunter zu fallen. Ich nehme mir vor um 5:00 aufzustehen, gönne mir also 6h Schlaf.
Brampton bis Brampton
Von den geplanten 6h Schlaf sind es vielleicht 4h. Mitten in der Nacht werde ich durch lautes Schnarchen eines Radfahrers geweckt. Obwohl die halbe Lounge noch frei ist, hat er sich an mein Fussende gelegt und Schnarcht was das Zeug hält. Ich spreche ihn an, ohne Erfolg. Ein kleiner Tritt gegen die Schulter bringt ihn auch nicht dazu sich zu bewegen. Da ich meine Ohrstopfen nicht finden kann, versuche ich den Schall mit Hilfe meines Armdings auf meinem Ohr etwas zu dämpfen. Das bringt jedoch nichts und so suche ich doch die Stopfen in meinen Sachen. Ich finde Einen welchen ich jetzt immer für das oben liegende Ohr verwende.
Um 5:00 klingelt endlich das Handy und ich stehe auf.
Zum Frühstück gibt es Bohnen mit Toastbrot und Schinken. Nach dem Füllen der Trinkflaschen breche ich um 6:00 auf. Tagesziel für mich ist heute mindestens Edinburgh. Perfekt wäre es wenn ich heute Abend wieder hier bin. Das wären ziemlich exakt 300km, die Unbekannten in dieser Rechnung sind meine Beine und das Wetter.
Nach ca. 5km dann der erste Regenschauer, wobei Schauer 30m Sicht durch Platzregen wohl nicht direkt beschreiben kann. Ich packe also zum ersten Mal meine Regenjacke aus und fahre mit dieser weiter. Dann nehme ich den ersten Schluck aus meiner Trinkflasche und bin geschockt. Das Wasser schmeckt total nach Chlor! Kurz nach dem Grenzübertritt nach Schottland erreiche ich einen Dorfladen an welchem ich mir 2 Cola, Wasser und ein Gebäckstück kaufe. Mit dem Wasser fülle ich meine Flaschen auf, eine Cola kommt in die Rückentasche, die zweite Cola und das Gebäck sind gleich fällig.
Jetzt aber weiter, auf der Strecke ist jetzt reger Betrieb. Ich fahre mit entspannten Puls der nächsten Kontrolle entgegen. Lange geht es an einer Hauptverkehrsstrasse Moffat entgegen, die Alternativroute wäre zwar hügeliger aber sicher schöner gewesen. Trotzdem läuft es jetzt gut, richtig gut ich überhole Fahrer um Fahrer und habe richtig Spass. Kurz vor der Kontrolle laufe ich auf einen Fahrer meiner Startgruppe auf. Er meint ich wäre der erste unserer Gruppe welcher ihn überholt. Ist dies jetzt gut oder schlecht? Ich nehme es einfach so hin und betrete die Kontrolle. Stempeln, Flasche und? Gutes Essen, Cappuccino, freundliche Helfer. Hier fühle ich mich wohl. Im Nachhinein ärgere ich mich, dass ich nicht am Abend vorher die zwei Stunden investiert habe um noch diese Kontrolle zu erreichen, auch mit Müdigkeit und leeren Beinen.
Nach dem Auffüllen der Flaschen fahre ich weiter. Mein Höhenprofil zeigt einen Berg an und ich fange an mich zu freuen. Der Berg hält was er verspricht mit 4-5% Steigung geht es gleichmässig nach oben. Anfangs noch normal werde ich immer schneller und schneller. Viel schneller fahre ich daheim auch ohne Gepäck nicht den Berg hoch. So überhole ich Fahrer um Fahrer und stürze mich oben gleich in die Abfahrt.
Auch diese ist lang, jedoch etwas flacher so dass man länger etwas von dem Spass hat. Mittlerweile hat sich die Fahrtrichtung auf Nord-Osten gedreht und ich fahre mit dem Wind. Leicht wellig geht es nur durch die Scottish Borders Edinburgh entgegen. Ich überhole viele andere Fahrer und kann nicht verstehen, warum diese nicht mehr aus den optimalen Windverhältnissen machen.
Die Strassen hier sind schlecht. Sehr rau und mit vielen Schlaglöchern. Mir schmerzen die Hände aber langsamer fahren bringt ja auch nichts, ich muss hier lang.
Kurz vor Edinburgh habe ich dann eine seltsame Begegnung. Ich laufe auf einen anderen Fahrer auf und überhole ihn. Keine 10 Sekunden später kämpft er sich im Unterlenker wieder an mir vorbei, setzt sich vor mich, hört auf zu Treten und hebt eine Seite seines Hinterns um mir ins Gesicht zu pupsen. Was soll das? Ich habe weder in seinem Windschatten gelutscht, noch irgend etwas anderes mit ihm gemacht. Nach kurzer Überlegung sehe ich nur eine Möglichkeit. Ich schalte 2-3x dicker und fahre mit deutlichem Übertempo an ihm vorbei. Mit ca. 60m Vorsprung pendel ich mein Tempo wieder im normalem Bereich ein und rolle so nach Edinburgh.
Wir fahren über einen Radweg in die Aussenbezirke von Edinburgh. Von der eigentlichen Stadt oder auch der North Bridge sehe ich nichts, Schade aber organisatorisch vermutlich zu aufwändig.
An der Kontrolle wird man mit Applaus empfangen und auch ein Fotograf ist vor Ort. Jan, Felix und auch Alex sind hier.
Da die Schlange beim essen gefühlte 50m lang ist und die nächste Kontrolle nur 40km entfernt liegt, entschliesse ich mich nur Flaschen zu füllen, Bananen zu nehmen und meinen Bag-Drop zu wechseln und Jan und Felix hinterher zu fahren. Kurz nach der Kontrolle erzählt mir ein Mitfahrer in der nächsten Kontrolle gibt es Whiskey. Bisher ist der Tag perfekt!
Die Strecke ist hügelig, sehr hügelig und ich fahre wieder nach Südwesten, also gegen den Wind. Auf einer ganz kleinen Strasse geht es mit Wellen den Berg hinauf, ich fahre mittlerweile im Unterlenker. Irgendwie wirkt es hier wie im Land der Teletubbies.
Kurz vor dem ersten Gipfel passiere ich einen Fahrer auf einem Singlespeeder. Hier fahren viele davon herum. Warum man das macht kann ich noch nicht verstehen, aber irgend einen Nutzen wird es für die Fahrer haben und wenn es mein tiefer Respekt ist. Ich frage den Fahrer ob das Fahren hier mehr Freude oder Schmerzen ist. Trocken entgegnet er, dass es etwas von beidem ist. Aber aktuell mehr Schmerz. Trotzdem fährt er gut, wirklich gut.
Ab und zu steht ein Schaf am Wegesrand. Eines versucht durch den Zaun zurück zu seiner Herde zu gelangen, schafft es aber nicht.
Dann die Passhöhe. Von hier sieht man schon das nächste Unheil kommen. In der Ferne zieht eine satte Regenwolke auf. Vielleicht zieht sie ja vorbei?
Ich nehme die Abfahrt und zweige in die nächste Auffahrt ab, wieder Gegenwind, wieder Unterlenker und wieder angenehm steil. Kurz vor dem Erreichen der Passhöhe dann der befürchtete Regen. Obwohl es wie aus allen Eimern kippt, fahre ich weiter und ziehe keine Regensachen an. Die Kontrolle ist in knapp 5km, das muss jetzt gehen! Durchnässt betrete ich die Kontrolle, stempel und begebe mich auf die Suche nach dem Whiskey. Haggis gibt es. Ich halte mich an zwei Stück Kuchen und einen Tee. Jan, Felix, Jochen und auch Frank sind hier und wollen gleich weiter. Ich fülle etwas von dem Orangengetränk in meine Flasche und fahre ebenfalls weiter. Plötzlich ist Jan hinter mir. Wir fahren gemeinsam weiter. Erst Trocken und dann im Regen versuchen wir zu den anderen aufzuschliessen, aber so richtig wird dies nichts. 3 flache Hügel trennen uns nun noch von der nächsten Kontrolle. Die Strassen hier sind einsam und so rechnet wohl auch kaum ein Autofahrer damit, dass hier Radfahrer unterwegs sind. So erklärt sich vermutlich auch ein im Strassengraben liegender LKW. Da niemand mehr da ist, liegt der Unfall wohl auch schon ein paar Stunden zurück.
Mittlerweile bereue ich, dass ich diesen Orangensaft in meine Flasche gefüllt habe. Ich habe Sodbrennen und mittlerweile sogar leichte Halsschmerzen.
Die Hügel sind schön zu fahren, die Abfahrten ebenfalls aber zwischendrin kommen immer wellige Stücken. 5-10Höhenmeter, nicht viel an Höhe aber viel an Menge. Ich taufe diese Wellen Ameisenhügel. Bekanntlich stolpert man nicht über die Berge welche vor einem liegen, sondern über Ameisenhügel. Also Vorsicht!
Gemeinsam fahren wir weiter der nächsten Kontrolle entgegen. Kurz vor Eskdalemuir dann die Überraschung, ein buddhistischer Tempel! Hier in Schottland! Also Foto raus und abgedrückt. Jan fährt unterdessen weiter zur nächsten Kontrolle.
Auch hier gibt es kein Whiskey. Dafür kann man Mars und Cola kaufen. Ich nehme zwei Cola. Zwei Riegel gibt es noch dazu. Die sind so trocken, dass sich Frank gleich mal kräftig verschluckt. Das Essen ist gut, so dass ich 2x Nachschlag hole.
Jetzt will ich aber weiter. Da der Rest schneller ist, werden sie mich sowieso einholen und ich rolle langsam los. Es kommt nur noch ein Berg bis Brampton und damit meinem Wunschziel. Diesen fahre ich gemütlich hinauf und mache oben die letzten Bilder des Tages. Langsam kommt die Dämmerung und es wird wohl wieder nichts mit einer Ankunft bei Helligkeit werden. Egal, Hauptsache ich bin wieder in Brampton.
In den Wellen nach der Abfahrt laufen Jan, Felix, Frank und Jochen auf mich auf und wir fahren den Tag gemeinsam zu Ende. Die letzte Stunde des Tages fahren wir im Regen bzw. Nieselregen. Das war irgendwie klar. Um 23:45 sind wir dann wieder in Brampton. Felix’s Freundin ist da, sie hilft als Freiwillige hinter der Essentheke. Ich nehme Pasta und Pommes. Dann dusche ich mich, ziehe frische Sachen an und suche mir wieder einen Platz in der Lounge.
Morgen geht es wieder über Yad Moss und der Plan ist eine Fahrt bis Louth!
Brampton nach Louth
4:00 der Wecker klingelt. Wobei ich den eigentlich gar nicht benötige. Die ganze Nacht war High Life in der Lounge. Ständig irgend welche Geräusche. Ganz zu Beginn zählt einer sein Geld, offensichtlich hat er viele Münzen. Später dann richten sich weitere Radfahrer ihr Bett ein. Dies wäre gar nicht so schlimm, aber leider bringen sie es zu zweit trotzdem nicht auf die Reihe die Hocker und Bänke wenigstens vor dem Verschieben anzuheben. Ein lauter Atemzug von mir war dann der Wink welchen sie verstanden haben.
Das Frühstück ist wie am Vortag, jedoch gibt es heute Cola-Dosen. Den Fehler mit dem Wasser mache ich heute auch nicht und so starten Jan, Frank, Felix, Jochen und ich in die Tagesetappe. Gleich zu Beginn die Anfahrt zu Yad Moss. Stufenweise und mit Gegenwind fahren wir dem Steigungsbeginn in Alston entgegen. Ab hier bis St. Ives kennen wir die Strecke von der Herfahrt und wissen in etwa was auf uns zu kommt.
In Alston halten wir an dem örtlichen Spar und verpflegen uns. Frank fährt weiter, er fühlt sich am Berg zu schwach. Ich kaufe ein Gebäckstück und ein paar Riegel. An der Kasse werfe meinen Cappuccino dann aus Versehen auf den Boden, darf mir aber einen Neuen holen.
Nach beenden meiner Pause fahre ich, gemeinsam mit einer weiblichen Teilnehmerin, weiter. Jan und der Rest bleiben erst einmal zurück, sie sind noch nicht fertig. Wir machen aus uns spätestens am Schloss zu treffen.
Nach ein paar hundert Metern im Berg löst sich der Verband mit der Mitfahrerin, ich bin am Berg dann doch etwas stärker. Nach einer kurzen Welle geht es dann der Passhöhe entgegen. Mich überholt ein Fahrer aus Thailand, kommt aber nicht wirklich weg und so schliesse ich kurz darauf wieder zu ihm auf. Er hängt sich in meinen Windschatten und wir fahren gemeinsam den Berg hinauf. Meiner Frage ob auch er einmal Windschatten geben möchte, entgegnet er, er spräche kein Englisch. Na gut, dann fahre ich eben so weiter nach oben. Auf etwa 2/3 der Höhe steht plötzlich auf der linken Seite ein weisser Kastenwagen. Der Kofferraum ist offen und es werden Getränke für die Fahrer angeboten. Später erfahre ich, dass es sich hier um einen der Organisatoren handelt und er hier schon nachts um 3:00 stand.
Dann die Passhöhe und er Beginn der Abfahrt. Wobei Abfahrt auch nicht wirklich passt. Wir müssen permanent Treten, richtig rollen will es nicht. Nach ein paar Metern treffe ich Frank und wir fahren gemeinsam das nächste Stück bis zu Schloss.
Direkt vor dem Schloss schliesst der Rest zu uns auf. Wir Verpflegen und gemeinsam und fahren dann auch gemeinsam weiter, bis auf Frank. Er bleibt hier und will sich noch etwas erholen.
Das Stück nach Thirsk ist relativ ereignislos. Es geht wellig dahin und kurz vor dem nächsten Kontrollpunkt zieht ein Schauer auf. Jan sprintet auf einmal los. Was ist los? Ich weiss es nicht und versuche deshalb heran zu fahren, schaffe es jedoch nicht. Um mich nicht kaputt zu fahren, nehme ich Tempo heraus und rolle bis zu nächsten Kontrolle. Hier treffe ich Felix und Jochen wieder, Jan hat irgendwo angehalten und sich die Regensachen angezogen.
Beim Essen sagt uns Jan, dass er hier eine Stunde schlafen wolle. Also fahren wir zu dritt weiter. Auf der Höhe von Coxworld wird es mir dann in meiner Regenjacke zu warm und ich halte an um sie aus zu ziehen. Felix und Jochen fahren derweil weiter.
Alleine fahren, schalte ich wieder auf den Touristenmodus. Ich mache viele Bilder, geniesse die Anstiege und die Natur. Dieses Teilstück nach Pocklington hat mir schon auf der Herfahrt sehr gefallen. Wann war das eigentlich? Gestern, nein es war schon vorgestern. So halte ich unterwegs an einem Baum an und setzte mich auf die Bank darunter. Ich creme mich mit Sonnenschutz ein und geniesse einfach 5 Minuten die Ruhe.
Nach ein paar Minuten der weiteren Fahrt erreiche ich dann Pocklington. Hier liegt mein Bag-Drop und ich tausche wieder die Klamotten aus. Ich nehme mir noch eine kurze Regenhose mit, in der Hoffnung dass ich sie nun nicht mehr brauchen werde.
Bis Louth fehlen jetzt noch knapp 100km, es wird also heute auch nichts mit einer Ankunft im Hellen. Mit Jochen und Felix geht es nun weiter bis Louth. Kurz nach Abfahrt fängt es an zu tröpfeln, also habe ich doch die Regenhose nicht umsonst mitgenommen. Wellig aber mit Bergabtendenzen geht es nun ich Richtung Humber Bridge welche wir heute im Dunkeln überfahren. Kurz nach der Brücke dann ein Platten bei Jochen. Gemeinsam wir der Schlauch und der Reifen gewechselt. Passenderweise ist auf der gegenüberliegenden Strassenseite ein Radverleih, natürlich zu. Trotzdem hänge ich den alten Mantel bei ihm über das Eingangstor.
Im Ort halten wir an dem Laden, welcher schon auf der Hinfahrt Einkehrpunkt war. Auch heute trinken wir einen Kaffee und betrachten dabei die seltsamen Gestalten der englischen Abendwelt. Jetzt fehlen bis Louth noch knappe 60km. Wir fahren weiter und trotz theoretischem Gegenwind und angeblicher Steigung werden wir immer schneller und schneller. Die Mitfahrer vom Fuss des Berges haben wir schon lange hinter uns gelassen als Jochen auch noch hinten einen Plattfuss bekommt. Passenderweise beginnt es jetzt auch wieder zu regnen. Nach Tausch des Schlauches geht es weiter und wir überlegen warum das hier so gut läuft. Was war in dem Kaffee? War der Laden vielleicht der örtliche Drogenverkauf, das könnte zumindest die dubiosen Gestalten erklären.
Der Regen begleitet uns während wir weiter Richtung Louth fahren. Irgendwann laufen wir auf ein paar andere Radfahrer auf. Einer klemmt sich gleich an unsere Gruppe fährt aber sehr komisch. Immer in die Mitte der Zweierreihe und am Berg recht nervig. Wir geben ihm zu verstehen, dass wir nicht in einer Gruppe mit ihm fahren wollen, es interessiert ihn jedoch nicht. In der Hoffnung das er uns in Ruhe lässt, werden wir immer langsamer. Es bringt jedoch nichts. Bald schliessen andere Gruppen zu uns auf. Und so fahren äusserst gemächlich in Richtung Louth.
Dort angekommen verpflegen wir uns, Duschen und wollen uns schlafen legen. Die Gedanken an ein eventuelles weiter fahren, wegen dem Wind morgen sind vergessen.
Es ist 02:00 und wir beschliessen uns um 6:00 wecken zu lassen. Im Schlafsaal ist ein meditatives Klima, überall atmen Radfahrer leise und laut. Kaum liegend schlafe ich ein.
Louth nach Edinburgh oder Endspurt
6:00, bevor uns der Helfer wecken kann, sind wir wach. Es ist aber auch keine Kunst, seit geraumer Zeit ist im Schlafsaal ein Rein und Raus. Leider ist ein Grossteil der Aufstehenden auch nicht wirklich rücksichtsvoll und lässt die Tür immer wieder ins Schloss knallen.
Frühstück, Flaschen füllen und Ausstempeln, dann geht es los. Frank ist wieder dabei, so dass wir zu viert sind. Jan ist in der Nacht direkt weiter gefahren. Ich fahre bereits in Windweste und kurz, da meine Sachen vom Vorabend noch etwas nass sind. Auf den ersten Kilometern dann das übliche Jammern über Hintern-, Knie- und Achillessehnenschmerzen. Wir bemerken zwar den Wind aber wirklich heftig ist er noch nicht.
In einer Abfahrt kommt uns Fiona entgegen. Sie will einem Mitfahrer beim Schlauch wechseln helfen. Zwei ihrer Mitfahrer warten am Fuss der Abfahrt. Wellig geht es weiter und je flacher es wird, desto windiger und ungeschützter wird es auch. Bis Spalding wird es jetzt anstrengend. Der Wind wird stärker und wir haben zu tun das Tempo gleichmässig zu halten. Die Kontrolle in Spalding dient dem sammeln der Kräfte für das kommende Stück. Jetzt geht es richtig zur Sache. Wir fahren gegen Gegen- bzw. Schrägwind und Windgeschwindigkeiten von bis zu 65km/h (lt. wetteronline) an. Am Anfang fahren wir noch in der Gruppe, als einige Fahrer aber unbedingt weiter in Zweierreihe fahren wollen, lasse ich mich aus der Gruppe fallen. Bei diesen Windverhältnissen ist mir dies einfach zu gefährlich.
Ca. 2h kämpfe ich so gegen den Wind an. Zwischendurch halte ich einmal kurz an einem Dorfladen an, um Riegel und etwas Cola zu kaufen. Kurz nach dem Laden stehen auf der rechten Seite Jochen und Felix und machen Pause. Laut Höhenprofil soll dieses Flachstück bald vorbei sein und wir fahren gemeinsam weiter nach St. Ives. Statt dem Wind würden wir alle gerne wieder Ameisenhaufen fahren. Videos vom Wind kann man bei YouTube mit dem Schlagwort „LEL 2017“ finden.
In der Kontrolle in St. Ives wird ein Mitfahrer von einer Sanitäterin betreut, dass macht einem schon etwas Angst so etwas sehen zu müssen. Der Fahrer ist am Ende seiner Kräfte. Im Eingangsbereich der Kontrolle steht auf einer Tafel ein Spendenaufruf. Man kann 1 Pfund spenden, damit sollen Bäume in den Fens gepflanzt werden.
Jetzt kommt ein neues Stück in Richtung Great Easton. Wir werden die Streckenvariante durch Cambridge nehmen. Der Wind ist jetzt nicht mehr so störend, da wir jetzt quer bzw. leicht Rückwindig fahren. Auf dem Weg nach Cambridge bestaunen wir die Bustrasse. In einer Führungsschiene fahren Busse ähnlich wie Strassenbahnen.
Kurz darauf sind wir auch schon in Cambridge. Es ist hier wirklich viel los. Die Radfahrer fahren kreuz und quer und auch der Autoverkehr ist stark. Trotzdem ist der Innenstadtbereich wirklich schön.
Nach einem kurzen Stop an einer Tankstelle verlassen wir die Stadt und fahren wellig Great Easton entgegen. Auf einer Kuppe dann die Schrecksekunde der Tour. Wir sind mit kräftig Geschwindigkeit den Berg hinauf gefahren als ich auf der linken Seite ein Schloss sehe. Da ich ein Foto machen möchte, jedoch auch die Gruppe nicht behindern, schaue ich über meine Schulter nach hinten und prüfe ob frei ist, vorne kommt auch Nichts. Dann halte ich die Hand hinaus und schere nach Rechts aus. Plötzlich ruft Frank „Hey!!!“. Offensichtlich ist im Windschatten unserer Gruppe ein weiterer Fahrer gefahren, welchen ich nicht gesehen habe. Im gleichen Moment als ich aus der Formation gefahren bin, hat er versucht zu überholen und ist dabei fast in mich hinein gefahren. Schuld? Ganz klar meine! Aber ganz unschuldig fühlt sich der andere Fahrradfahrer wohl auch nicht, er sucht schnell das Weite und regt sich noch nicht einmal auf.
Ich brauche bis zur nächsten Kontrolle bis ich den Schock verdaut habe, wobei ich immer noch nicht verstehe wo der Radfahrer her kam.
Kurz vor Great Easton dann noch ein paar kritische Stellen. Einmal Schlaglöcher und zum Anderen Schotter. Zum Glück hatte in St. Ives ein Schild gestanden welches uns gewarnt hat.
Die Kontrolle in Great Easton ist schnell erledigt. Wir wollen alle weiter und endlich ins Ziel. Nur noch 48km!
Das kommende Stück ist sehr kurvig und geht wellig dem Ziel entgegen. Immer Hoch, Runter, Links und Rechts. Aber mit dem Ziel vor Augen fahren wir dies zügig durch. Felix und ich halten uns hinten auf. Auch in den Abfahrten fahren wir bewusst defensiv. So kurz vor dem Ziel will keiner mehr zu viel riskieren.
Dann sind wir auch schon in Loughton. Vorbei am Zeltplatz fahren wir zur Schule wo das Ziel ist. Felix und ich erreichen um 23:59 das Ziel. Jochen und Frank waren 2min eher da.
Wir geben unsere Kontrollkarten ab und erhalten trocken und nüchtern die Finisher-Medaille und einen Essengutschein. Ich finde diesen Empfang fast etwas emotionslos, für 1450km. Klar kommen die Teilnehmer über Stunden und Tage an und es erwartet auch keiner eine Kapelle oder Hunderte klatschende Zuschauer. Aber ein „Well done“ bei Abgabe der Karte oder ein Handschlag wären schon schön gewesen.
Ähnlich nüchtern dann das Essen. In einer Pappschale gibt es Ofenkartoffel mit Bohnen und dazu Wasser bzw. Kaffee. Wir vier essen noch alle zusammen und verabschieden uns dann freundschaftlich von einander. Alle sind jetzt müde und wollen jetzt nur noch schlafen. Jochen und ich fahren gemeinsam zum Zeltplatz zurück und trennen uns dort.
Fazit
Auch wenn mich der Empfang im Ziel etwas traurig gestimmt hat, habe ich trotzdem ein positives Gesamtbild von dieser Veranstaltung. Die Strecke ist fordernd, aber wunderschön. Manche Transferstücken kann man einfach nicht umgehen.
Auch was das Thema Verpflegung angeht hat der Veranstalter sicher noch etwas Verbesserungsmöglichkeiten, aber gehungert hat sicher niemand.
Ich werde versuchen auch in vier Jahren wieder dabei zu sein.
London Edinburgh London 2017 – into the wind on the fens (Video)