Von München bis nach Ferrara
Durch 4 Länder
650 km / 3.500 hm
Der Rando Imperator ist und bleibt für mich (r)eine Herzenssache. Jede Teilnahme war ein Highlight aus meiner Sicht. 2016 ein derber und übler Ritt von Bayreuth aus startend, ca. 30 Stunden von 45 im Regen, mit dem Cervelo auf der Originalstrecke via Claudia Augusta. Nach ca. 1.000 Kilometern mit einem Täschchen am Sattel in Ferrara gefinished. 2017 dann eine absolute Genussfahrt 🙂 mit meinem langjährigen Freund Carsten. Keine Hatz, schön Paar Stunden im Hotel in Bozen geschlafen, warm geduscht, üppig gefrühstückt. Gemütlich mit Carsten und Christopher durch Italien geradelt. Auch gefinished, im Zeitlimit. Und dieses Jahr ein wenig gehandicapt und der Versuch, so schnell, als möglich in Ferrara anzukommen. So war es dann auch. Sonntag 14 Uhr fuhren wir ein.
Zum Brevet selbst; Der Rando Imperator ist nicht sonderlich hart, die zu überfahrbaren Spitzen wie Fernpass und Reschenpass sind überschaubar. 3.500 Höhenmeter auf 650 Kilometer. Aufgrund der Wegbeschaffenheit auf Teilen der Strecke leidet ein wenig das Material. Dieses Jahr bei mir ein bisschen mehr. Ich bin 2017 mit dem Crosser gefahren, mit 32er Slicks. Das war komfortabler, definitiv. Wie üblich bei einem Brevet, versorgt man sich selbst mit dem, was man an Essen und Trinken benötigt. Gibt es trotzdem eine Kleinigkeit an den Kontrollstellen, ist das nett vom Veranstalter, aber nicht nötig. Ich erwarte das nicht, ich habe alles dabei, was ich benötige. Pannen werden wie üblich selbstständig repariert. Unsupported eben. Nimmt man Hilfe in Anspruch, dann muss die Hilfe auch allen anderen Randonneuren zugänglich sein. So ist das auch beim Rando Imperator.
Der Rando von Simone und witoor, dem Veranstalter, führt uns über die Alpen. Das ist das Besondere am Rando. Durch 4 Länder hinweg bis nach Ferrara in Italien. 2016 bin ich dort das erste Mal gestartet, sehr spontan, absolut vorurteilsfrei, da mir die Veranstaltung nicht bekannt war. Manchmal ist es von Vorteil, sich nicht zu viele Gedanken zu machen – oder machen zu müssen. Damit meine ich nicht, die Vorbereitung zu so einer Sache – diese muss präzise und genau geplant werden. Sowohl die Ausstattung von Rad, das mögliche Wetter vor Augen. Wie versorge ich mich, wann und wo ist es mir möglich zu essen und zu trinken? Wie ist die Streckenbeschaffenheit, wohin führt mich die Route? Was trage ich an Kleidung an mir?
Aber es bleibt ein Restrisiko bei einer Langstreckenfahrt über 650 km. Wer die Alpen überqueren will, muss mit allem rechnen, muss aber auch mit der Unvorhersehbarkeit der Dinge, die passieren können, im Einklang sein. Dem Wetter zum Beispiel. Darauf hast du keinen Einfluss. Besonders nicht in den Bergen. Wenn es häßlich wird – akzeptiere es. Wie auch die Tatsache, dass über eine derartig lange Strecke viel Unerwartetes passieren kann. Für mich ist das nicht kalkulierbare, das Restrisiko, das wirkliche Abenteuer und der Schlüssel zu einer temporären Freiheit. Ein Grund für mich Brevets zu fahren. Einer.
Hardfacts:
Start 4:30 Uhr am Tierpark Hellabrunn in München – “Jeder nur ein Kreuz!” #mike – ich lache heute noch darüber! Nach dem ersten Schotterstück aus dem Wald heraus bilden sich die ersten Gruppen und wir rollen in den Tag. Italien als Ziel vor Augen. Um 8:30 Uhr erreichen wir den ersten Checkpoint in Garmisch an einem Parkplatz. Es erwartet uns ein gut, gelauntes Team rund um Simone und witoor. Essen, Trinken und Flaschen auffüllen ist hier möglich. Es gibt hier alles, was man braucht. Ab hier bildet sich eine gute Gruppe, die Spaß macht. Mit Veronika, Remo, Tim, Daniel und mir. Diese Gruppe löst sich leider kurz vor dem Reschenpass auf. Veronika und Remo machen Pause, ich nehme Tempo raus. Die Abzweigung in die Schweiz kurz vor Nauders verpasse ich – oder mein Navi – ich fahre gerade weiter in Richtung Reschenpassstraße. Nicht zu empfehlen mit dem Rad, einige Tunnel, zu viel Verkehr. Aber ich drehe ungern um, ich war schon zu weit gefahren und nehme dieses Jahr dann eben diese Auffahrt nach Reschen. Mitten drin im Pass platzt der Reifen, ein Stein schlägt mir dagegen, der Mantel ist durch. Kurz fixen und weiter. Am Checkpoint Reschenpass treffe ich wieder auf Tim und Daniel. Wir starten gemeinsam in Richtung Vinschgau, nach Meran und weiter nach Bozen. Genau um 20:00 Uhr kommen wir in Bozen an. Stempel abholen, eine Stunde Pause, Mensch und Taschen werden mit dem Nötigen aufgefüllt. Die Nacht hindurch an der Etsch entlang in Richtung Gardasee. Powernapping über 15 Minuten auf einer Parkbank. Drei vom Freilauf summende und rot, blinkende Fahrer rauschen an mir vorbei. In dem Moment werde ich wieder wach, alles gut, weiter fahren. 3:23 Uhr am Checkpoint Bicigrill. Auf dem Weg nach Bardolino fällt mein Umwerfer aus, ab hier nur noch mit einem Blatt vorne. Gegen 9 Uhr in Mantova am Checkpoint. Leicht genervt, der neue Standort erscheint mir als ziemlich sinnlos. Kurzes fluchen und husten, dann weiter zum eigentlichen Checkpoint mit der Möglichkeit einer richtigen Versorgung. Gleiche Prozedur wie immer, dann wieder aufsatteln. Den neuen Checkpoint in Sermide erreichen wir um 12:17 Uhr. Jetzt noch ca. 45 km. Ich kämpfe elendig mit der Müdigkeit, fühle mich aber noch körperlich stark. Nur sehr müde eben. Wir rollen auf üblem Asphalt durch die Po-Ebene, auf Seitenstraßen. Noch kurz vor Ferrara durch eine endlose, weiße Wolke aus Blütenstaub der am Weg wachsenden Pappeln. 14 Uhr erreichen wir das Ziel in Ferrara.
Mein Fazit:
Und wieder haben sich Freunde der Langstrecke zusammen getroffen, um gemeinsam die Alpen zu überqueren. Vielleicht nur einmal im Jahr, und trotzdem fühlt es sich an wie ein Klassentreffen 😉 als würde man sich schon länger kennen. Man trifft alte Freunde, lernt neue Freunde kennen. Auch dieses Mal wieder. Unter normalen Umständen wäre ich heuer wohl nicht gestartet, nachdem ich gerade ein nicht planmäßiges Kinn-Lifting 😉 hinter mir habe. Die beiden angeknacksten Rippen wollten mich auf der Strecke auch noch ein wenig ärgern und piksen. Alles in allem aber kein Grund auf den Rando zu verzichten. Wer Langstrecke fährt, und das auch dauerhaft, arrangiert sich mit dem Schmerz, sofern er sich bemerkbar macht. Jeder auf seine Art. Ich wollte einfach wieder über die Alpen fahren, habe mich darauf gefreut, den einen oder anderen Kollegen wieder zu treffen. Und dieses Jahr mit perfekten Wetter, viel Sonne, kein Regen. Landschaftlich ist die Strecke immer wieder toll anzusehen. Pure Naturromantik. Der Rando bleibt meine erste Wahl für einen 600 km Brevet. Ist es mir möglich, starte ich 2019 auch wieder.
Route & Track: STRAVA