Super-Brevet
1.500 km – 21.000 hm
Italien, Schweiz, Frankreich
P Ä S S E: Passo Foscagno, Passo Eira, Passo del Bernina, Malojapass, Passo Moncenisio, Col d‘Iseran, Col du Petit Sankt Bernhard, Gampenjoch, Stilfserjoch. S E E N: Lago Bianco, St. Moritz See, Silser See, Silvaplaner See, Lago di Mezzola, Comer See, Lago di Lugano, Lago Maggiore, Ortasee, Lago del Mon Cenisio, Po River, Lagi di Mantova, Gardasee, Molvenosee, Santa Giustina See. O R T E: Bormio, St. Moritz, Maloja, Lugano, Laveno, Biella, Lanslebourg Mont Cenis, Val d’Isère, La Thuile, Oropa, La Rosiére, Aosta, Pavia, Cremona, Mantua, Tremosine, Limone, Riva, Arco, Molveno, Meran, Naturns, Schlanders, Prad, Stelvio und einiges mehr 🙂 – das waren über die Distanz von 1.520 Kilometer so viele Eindrücke, die erst verarbeitet werden müssen. Nach und nach. Ich wollte warten mit dem Report, bis wieder alles als Ganzes in meinem Kopf ist. Das würde jedoch zu lange dauern und so entschied ich mich dafür, schon jetzt zu schreiben.
A Grand Tour through Alps and northern Italy, at the centre of Europe. ALPI 4000 goes around Alps over 4000 high peaks (Mont Blanc, Gran Paradiso, Cervino, Pizzo Bernina), it leads you to the best valleys and the highest passes. You will pass by Italian big lakes (Maggiore lake, Como lake and Garda lake) and cross the padanian plane following the longest Italian river Po. You will pass through important historical and artistically cities like Pavia, Cremona, Mantova and Torino, capital of the Alps, home of the Savoia dinasty, where you will pass by the “Venaria” Royal Palace.
The track, recalling some parts of Tour Blanc Rando and Valtellina Extreme Rando (Two ranndonnée” trails among the most famous and important of the Alps), crosses 3 countries and fascinates with wonderful landscapes and views.
A real challenge: 9 passes between included the 2 highest ones in the Alps: Cold’ Iseran (2770 m) and Passo dello Stelvio (2757m), both reminding of famous challenges from Tour de France and Giro d’Italia. (www.alpi4000.it)
Ja, man kommt schon weit herum bei einer ALPI 4000. Für mich mein erster Super-Brevet und die längste Distanz bisher. Ich starte ganz simple mit der Einstellung, zu fahren, bis es nicht mehr geht. Oder das Rad auseinander fällt 😉 was soll die übertriebene Planerei, wo doch über eine derart lange Distanz viel unvorhersehbares passieren kann – und auch passieren wird. Also sehe ich mir vorher den Kurs an, alle 16 Etappen, lasse aber genug Spielraum für das Abenteuer. Meine Form ist gut, ich habe die letzten Monate einiges an Höhenmetern gefahren und manche Kilometer in Aufstiegen gefahren. Mental – geht so. Noch nicht ganz zurück bei mir selbst.
Das Rad ist akribisch bepackt, bis auf den letzten Quadratzentimeter, nur mit dem Nötigsten. Strom ist bis 6 Tage gewährleistet + einen Emergency-Akkupack. Essen geht irgendwann aus, aber nach 3 Tagen willst du dir eh keine Riegel mehr reinschieben. Gäbe es doch nur Fresubin als Pulver. Davon hatte ich 4 Flaschen dabei, das waren 4 volle Mahlzeiten für mich. Nachdem diese aufgebraucht waren, Selbstversorgung auf der Strecke. Oder bei den Checkpoints. Mein Tipp: immer ausreichend Elektrolyte dabei haben. Nicht nur die Kohlenhydrate im Kopf haben. Ab Tag 3 dann viel Fett und Eiweiß zu dir nehmen. Nüsse sind top. Auch Obst und Vitamine nicht vernachlässigen. Ich kaufe meist unterwegs Früchte, Gemüse, meist Tomaten und Beeren. Die kann ich in meiner Carryall-Tasche am Lenker verstauen und somit beim Fahren essen. Ich habe immer genug Zeit damit verbracht, ausreichend zu essen und das Richtige an Getränken dabei zu haben und zu trinken. Das Immunsystem kann schnell kippen, bei hoher Belastung über die vielen Tage hinweg. #klugscheissermodus #isaberso – und wenn ich schon nicht weiß, wie weit ich komme, will ich wenigstens dabei gesund bleiben 😉
Sonntag 07:24 Uhr
Wir starten in Bormio, fahren über die ersten Pässe Foscagno, Eira, Bernina auf 2.330 in die Schweiz. Weiter bis Comer See, an den Lago Maggiore, eine kurze Erholungspause auf der Fähre, dann gen Frankreich, hoch in die Berge. Über den Col d’Iseran bis auf 2.764 m und über den Col du Petit Sankt Bernhard (2.188 m) zurück nach Italien in Richtung Biella. Dann ca. 400 km durch die Po-Ebene. Über Pavia nach Mantova. Derber Schüttel- und Rüttelmodus. Dann endlich Gardasee! Über Tremosine nach Riva. Durch das wunderschöne Brenta-Gebirge, durch Molveno am See vorbei. Weiter über den Gampenpass nach Meran. Als Abschluss das Finish auf dem Stilfserjoch. Das wären dann zusammen 1.518 km und 21.000 hm, laut Aussage der Veranstalter.
Ich denke ja, es waren eher weniger Höhenmeter. Wenn ich der Höhenmessung in meinem Wahoo trauen kann, waren es ca. 18.000 hm. Das alles ist aber Erbsenzählerei. Irgendwann ist es nämlich wurscht, was auf dem Tacho steht. Ich bin teilweise über 7.500 hm am Stück gefahren, bei lähmender Hitze, ob dann 18.000 oder 21.000 – what ever! Letztendlich geht es irgendwann darum, dass du nun so schnell als möglich ins Ziel kommst, bevor der Ofen ausgeht. Meiner ging bei der ALPI 4000 ca. 20 km vor dem Stelvio aus. Als hätte jemand gerade den Hauptstecker gezogen. Der Mangel an Schlaf hat wohl sein übriges getan. Aber man hätte mir auch den Kopf abschlagen können, ich wäre so oder so noch hoch gefahren 🙂 Das waren zwar endlos lange und zähe 20 km, wer aber schon 1.500 km in den Beinen hat, mit diesen vielen Höhenmetern, der denkt sicher nicht über Aufgeben nach. Einfach weiter.
Unterwegs komme ich an einem Gletscherfluss vorbei. Ich sammle alle meine Essenreste aus allen Taschen zusammen, vermische das Ganze zu einer undefinierbaren Brühe mit dem Wasser und kippe es in mich rein. Nach meiner Rechnung waren das ca. 400 Kalorien. Blöd. Hat nicht lange gereicht. Nach 10 km ging der Ofen wieder aus und ich spürte nur noch ein leichtes Glühen, mein Kreislauf verabschiedet sich. Ab jetzt fahre ich von Kehre zu Kehre, schaffe es noch irgendwie die Kurbel zu bewegen und hoffe ständig auf den auf Asphalt geschriebenen KM 1. 13:36 komme ich im Ziel an. Nach 126 Stunden brutto, reine Fahrtzeit 77 Stunden. Trotzdem noch 14 Stunden unter dem vorgegebenen Zeitlimit.
Ich habe zwischenzeitlich nicht mehr über Zeit nachgedacht, ich hatte zuviele Probleme mit dem Rad. Ich hatte anfangs mit 100 bis 120 Stunden gerechnet. Auf der Strecke habe ich dann bereits über das Erreichen der 140 Stunden nachgedacht. Die Pannen und das zweimalige Aufsuchen eines Bike-Shops haben mich viel Zeit gekostet. Bei 16 Checkpoints einchecken, essen, kurz ruhen, sich selbst und das Rad wieder auf Vordermann bringen – all das kostet auf Dauer viel Zeit. Vermutlich trödle ich aber noch zu sehr, wenn ich nicht auf dem Rad sitze, wenn ich meine gefahrenen 77 Stunden der Bruttozeit gegenüberstelle. Andererseits sind wir ohne Support oder Betreuer unterwegs.
Ich würde jetzt, unmittelbar nach meiner Teilnahme bei der ALPI 4000, auch nicht mehr PBP mit der ALPI 4000 in einen Topf werfen. Beides ist nicht wirklich miteinander zu vergleichen. PBP war nicht sonderlich hart und anstrengend, wie ich fand. Eher ein Fest für Randonneure. Die Straßen auch nicht der Burner, aber nicht so kaputt wie in der Po-Ebene. Das alles mit über 400 Anstiegen. Freundliche Franzosen an den Checkpoints und viele Hills dazwischen. Die ALPI 4000 ist anders – teilweise eine brutale Schinderei – wie diese fiese Etappe 6 auf den Montecenisio bei gefühlten 45 Grad. Eine echte Prüfung für Mensch und Maschine – Brevet eben.
Man hat auch viel Zeit zum Nachdenken bei einer Grand Tour über 1.500 km 😉 Zum Beispiel über den Kurs der ALPI 4000. Ich hatte manchmal auf der Strecke das Gefühl, nicht richtig in den Rythmus zu kommen. Vielleicht lag das auch am Kurs selbst, mit den vielen Pässen hintereinander und den darauf folgenden langen Abfahrten. Und dann dieses brutal, heiße Grillstück von Biella nach Pavia, bis Mantova durch die Po-Ebene. Chicken-Modus. Einmal komplett durchbraten. Um dann gut gegrillt am Abend oder am folgenden Morgen von aggressiven Stechmücken attackiert zu werden. Elende Biester!
Auch für mein Rennrad war die ALPI 4000 eine Herausforderung, besonders auf dem Teilstück Pavia bis Mantova in der Po-Ebene. Mit einem klassischen, leichten Rennrad, mit dem man vorher über Berge und Pässe geklettert ist, dann über die Straßen in der Po-Ebene zu holpern, das tut dem fragilen Rennrad auf Dauer weh. Da wäre es besser, mit dem Crosser zu fahren, mit 32er Slicks. So bin ich auch 2016 beim Rando Imperator durch die Po-Ebene gefahren. Das ist viel entspannter und vor allem schonend für das Rad. Mit der richtigen Übersetzung auch in den Bergen zu fahren. Kurz um – ich persönlich finde das Stück durch die Po-Ebene nicht wirklich passend zum bestehenden Charakter der Route. Dann sollen sie lieber mal 30.000 hm draus machen und wir bleiben in den Bergen und fahren alles was geht 😀
Die ALPI 4000 ist ein extremer Brevet mit vielen harten und langen Aufstiegen (Höhenmeterprofile). Auf eine Gesamtlänge von über 1.500 Kilometern verteilt, in 16 Etappen, davon einige sehr schwere Etappen – auf die dann die nächste harte Etappe folgt. Das alles musst du wollen, und es dir auch zutrauen. Manchmal mehrere Etappen am Stück mit über 7.500 hm ohne große Pausen. Doch diese vielen Mühen wurden immer belohnt durch viel Attraktivität auf der Strecke. Wir haben viele schöne und inspirierende Orte gesehen. Diese vielen Seen, an denen wir vorbei kamen. Vieles was ich nur von Bildern kannte. Dann die hohen Berge und ihre sichtbaren Mega-Spitzen. Einige davon 4000er. Wir hatten viel Sonne und Hitze, keinen Regen. Wir wurden an den Checkpoints immer von freundlichen und hilfsbereiten Menschen empfangen. Ich habe einige gute und interessante Leute kennengelernt, bin einige Kilometer gemeinsam mit ihnen gefahren. Und auch wieder viel alleine. Mit mir selbst. Ob mir das auf Dauer taugt, wird die Zeit zeigen. Ich hatte hier bei der ALPI 4000 eine schöne Zeit auf dem Rennrad. Es war eine Auszeit von Sonntag bis Freitag für mich. Ein Micro-Urlaub auf dem Rennrad mit leicht extremen Tendenzen. 😉
Weblinks:
www.alpi4000.it
www.audaxitalia.it
GPX-Route bei Strava:
Track 1 – Bormio bis Mantova
Track 2 – Mantova bis Stilfserjoch
Höhenmeterprofile:
Die Alpi aus der Vogelperspektive
Fotos:
Bernd Rücker