Holy Gravel

Hamburg – Lübeck
Fehmarn – Kiel – Hamburg
Gravel-Deluxe über Fehmarn
555 km / 666 km

Ausschreibung Holy Gravel 2019 (Veranstalter-Website)

Die Jünger*innen des gepflegten Schotter-Schredderns laden zu Allerheiligen ins gelobte Land des Offroad-Radelns. Mit missionarischem Eifer sind zwei Strecken biblischen Ausmaßes entstanden, einmal mit Fehmarn Rund, einmal ohne. 

555 KM oder 666 KM (Extended) 

Der Holy Gravel ist kein Rennen, keine kommerzielle Veranstaltung und auch keine geführte Tour. Es ist einfach ein Treffen gleichgesinnter Freunde, die ihre Fahrräder auf derselben Route gleichzeitig fahren. Die Teilnahme ist kostenlos.

Start Hamburg – 31.10.2019 um 7:30 Uhr

Wir starten gemeinsam in Hamburg, angemeldet waren über 100 Teilnehmer, ich denke, es standen ca. 70 Teilnehmer am Start. Der Schwund der Teilnehmer wird wohl dem Wetter geschuldet worden sein. Es war ziemlich kalt am Donnerstag morgen, ab Samstag war zusätzlich mit Regen zu rechnen. Ich hatte aber von Anfang an nicht vor im Freien zu schlafen. Mein Plan war – fahren, fahren, fahren und sehen, wie lange es geht und wie weit ich komme. Ich bin bisher zwar viele Brevets gefahren, das Weiteste bei der Alpi4000 mit 1.500 km. Im reinen Gravel-Bereich bisher maximal 540 km bei der Oberfranken-Umrundung im Selbstversorger-Modus, natürlich wie immer unsupported. Somit war das die eigentliche Challenge für mich – wie weit kannst du im Gelände fahren?! Und ich welcher Zeit. Mir ging es in keiner Minute darum, jemanden zu jagen, oder jemanden hinterher zu eilen, oder ein Rennen zu fahren. Ich finde gerne meinen Rhythmus und bleibe dann auch dabei. 

Wie meist auf Langsteckenfahrten bin ich mit dem Nötigsten unterwegs, das absolute Minimum an Gewicht und Komfort. Präzise geplant, alles Unnötige lasse ich Zuhause. Neuerdings nehme ich immer einen Biwaksack mit, als die luxuriöse Ausstattung der Rettungsdecke 😉 Benötigt hab ich ihn wieder mal nicht, trotzdem beruhigend, wenn er dabei ist. Auch Strom hatte ich für max. 3 Tage geplant. Mein Handy blieb wieder die meiste Zeit aus, das Live-Tracking zieht mir zu viel Strom, den ich nicht habe, bzw. nicht einplane. Daher habe ich nur ein paar Mal meinen Standort übermittelt, danach wieder das Handy ausgemacht und mich auf das Wesentliche konzentriert. Genug Strom haben für das Navi und das Licht.  

Da ich mit Mandy und Jens gemeinsam angemeldet war und wir auch zusammen zum Start sind, wollten wir auch wenig zusammen fahren. Das hat sich dann auf ca. 3 km beschränkt und ich bin in meinen eigenen Modus gefallen. Wir trennten uns leider ein wenig zu früh, aber ich wollte ja die Sache sportlicher fahren und hatte schon einen Plan dafür zurecht gelegt. Mandy und Jens fuhren ja eh auf der 555er Strecke und wollten auch irgendwo in der ersten Nacht übernachten. Ein kurzer Abschied und jeder war ab jetzt für sich alleine. 

Ich fuhr dann ca. 160 km mit Gerald startend durch den Sachsenwald in Richtung Lübeck, an Ratzeburg vorbei. Schön zu fahrende Waldwege, viel Schotterwege, auch ein paar Trails. Manchmal auch schon die Vorzeichen von Sand 😉 dort hat es richtig viel Spaß gemacht. Viele Wanderer und Fußgänger waren unterwegs, es war ein Feiertag, der war spürbar. Irgendjemand hat mir ein “Bastard” hinterher geworfen 😀
Gerald habe ich letztes Jahr mit seinen Freunden Klaus und Jochen in Italien kennengelernt habe. Seither treffen wir uns bei Events und sind auch schon ein paar schönen Sachen zusammen gefahren. Wobei Klaus dazu neigt, mich gerne mal zu übersehen 😉 #insider. Im Großen und Ganzen fahren wir das gleiche Tempo und verstehen uns im Rhythmus ganz gut. So dachten wir, das wir es auch beim Holy Gravel machen können. Klaus war aber gleich mal weg und so blieben Gerald und ich vorerst zusammen. Manchmal ist mir ja Gerald ein kleines wenig zu schnell, dafür habe ich aber immer mindestens ein Kettenglied dabei 😉 #insider. Und Gerald wusste natürlich, dass ich noch einiges mehr vor mir habe. So bleiben wir gut zusammen und irgendwann kam Michael von Endspurt-Hamburg dazu. So fuhren wir 3 in Richtung Lübeck und weiter Richtung Neustadt. Dort gabelt der Kurs in die 555 km Route und den langen Kurs mit 697 km. Nicht weit vor Neustadt am Pariner Berg bei Bad Schwartau verlieren sich unsere Wege. Auf einmal waren Beide weg. Ich bin noch über die Kuppe gefahren, dort hätte ich sie sehen müssen. Aber nichts zu sehen von ihnen, somit bin ich weiter und dachte, vielleicht machen sie eine Pause und sind nun hinter mir. Allmählich wird es auch dunkel, ich bin alleine in Richtung Neustadt unterwegs. Bei Pönitz am See taucht auf einmal Michael vor mir auf und steht mit seinem Rad am Weg. Wo kommt der denn jetzt her? Und wo war Gerald? Michael konnte gerade keine konkreten Aussagen machen 🙂 war auch nicht so wichtig, denn hier trennte sich unser Kurs. Ich fuhr bis zu einer Tankstelle in Neustadt, um mich dort nachtklar zu machen.

An der Lübecker Bucht fahre ich in Richtung Grömitz bei KM 215 und fahre ab jetzt nur noch am Meer. Ich sehe es zwar nicht, aber ich höre es, und ich kann es riechen 🙂 Die Wege hier wechseln zwischen ein wenig Asphalt, in einfache Wiesen- und Sandwege. Gerade mal schön zu fahren. Die Runde um Fehmarn selbst bringt viele Sandwege mit sich, direkt an den Klippen, ein wenig furchteinflössend im Dunkeln, kein echter Pfad, nur ein Feld, mehr nicht. Machbar, aber auch sehr kräftezehrend. Über eine Stunde habe ich mein Rad fluchend über das Feld geschoben. Sowas hält dann auch wach, dachte ich mir. Diese Sandwege endeten aber auch wieder und man konnte dann mal ein wenig rollen. Gegen 4:00 Uhr verlasse ich Fehmarn bei KM 330 wieder. Jetzt kurz ein Powernap in einem EC-Hotel, unter dem warmen Heizkörper gekuschelt und kurz 20 Minuten geschlafen. Gegen 6:30 Uhr bin ich Lütjenburg bei KM 378 und mache eine kurze Kaffeepause an einer Tankstelle. Und aufwärmen. Auch dort habe ich Klaus wieder verpasst, den ich gehofft habe, dort zu treffen. Wir waren nicht weit auseinander, aber es sollte wohl nicht sein. Ich ging nun davon aus, den Rest der Strecke alleine unterwegs zu sein, bis Hamburg.

Es ging weiter ins Hügelland der Holsteinischen Schweiz. Viele Anstiege, tatsächlich eine echte Rampe dabei 🙂 Ich war überrascht, wie es hier doch Auf und Ab ging. Das alles auf Waldwegen, Wirtschaftswegen und Schotterwegen. Und verdammt viel Wind! Natürlich Gegenwind. So ging das bis kurz vor Kiel bei KM 425. Dort angekommen pausiere ich in einem Dönerladen, ich konnte schon wieder nur noch essen, essen, essen. Ein guter Moment mal wieder das Handy einzuschalten. Ich tracke kurz meinen Standort und bekomme von Gerald eine Nachricht, ich würde wohl vorne fahren, die Nummer 66, der lange Zeit alleine ganz vorne war, sei anscheinend jetzt hinter mir. Hier habe ich mich das erste Mal auch wirklich dafür interessiert, wo ich bin, und wo die anderen sind. Und siehe da – die durchgefahrene Nacht hat viele Kilometer gemacht. Und trotzdem fahre ich kein Rennen. Mein Handy machte ich nun wieder aus. Ich hatte gerade auch andere Probleme. Ich habe meine gereinigten Überschuhe hinten auf die Tasche geklemmt und irgendwo im Wald vor Kiel verloren. Geht leider bei mir gar nicht bei dem Wetter, ohne Regenschutz und Wärme an den Füßen. So suchte ich vergeblich einen Radladen, der warme Überschuhe verkauft. Gamaschen gab’s an jeder Ecke, aber keine Überschuhe. Also dann vielleicht später irgendwo welche finden. 

Gerade als ich wieder auf den Kurs gehe, treffe ich Michael wieder 🙂 der den 555er fährt und Nachts geschlafen hatte. Das war schon ein ziemlich cooler und motivierender Moment, als ich ihm aufgefahren bin. Ich hatte durch die Nachtfahrt ca. 150 km eingefahren. Michael und ich fahren das schöne Stück an der Kieler Küste zusammen. Auch hier wieder auf Sandwegen. Oft schieben, fahren ist hier eher Unsinn. Ausserdem schlecht für die Mechanik. Irgendwo bei Bülk gegen 16 Uhr trennen sich wieder unsere Wege. Diesmal endgültig. Ich fuhr nun einen Zacken schneller, denn jetzt kam der Regen. Zunehmend stärker und nasser wurde es jetzt. In Eckernförde kaufe ich mir dann doch Gamaschen in einem Radladen. Zwar nicht warm, aber gegen den Regen. Nach Eckernförde geht es im Dunkeln vorbei an einem See. Und es regnet und regnet und regnet. Es wird zunehmend unangenehmer. Ab hier macht mir das keinen Spaß mehr. Ich war nass, es war kalt, und die Nacht sollte noch 12 Stunden Dunkelheit mit sich bringen. Das macht nur krank – und schwach. Obwohl ich nicht wirklich müde war – ich hätte sicher in die zweite Nacht fahren können – entschied ich mich dafür auf dem Weg weiter eine Möglichkeit der Übernachtung zu finden. Diese Odyssee der Zimmersuche zwischen Eckernförde und Fleckeby kosteten mich ca. 2 Stunden. In der Zeit habe ich vergeblich versucht, eine Pension oder ein warmes Zimmer zu finden. Entweder war der Laden geschlossen (Brückentag), oder keiner wollte die Tür öffnen wollen, oder es war einfach nichts frei oder hatten einfach keine Lust auf einen durchnässten Radfahrer. Alles läuft gerade schief – mein Handy geht nicht mehr an, das Navi lädt nicht mehr und verabschiedet sich komplett. Keinen Nerv jetzt im strömenden Regen das alles wieder zu fixen. Gegen 20 Uhr bei KM 500 entscheide ich, den Track zu verlassen und fahre zurück nach Eckernförde, um hier etwas zu finden, wo ich mich aufwärmen kann, duschen, ein wenig schlafen, Navi und Handy aufladen. In einem Restaurant am Wasser, eine stilvoll, umgebaute Werft, gibt es tatsächlich noch ein Zimmer für mich. Sie hatten Erbarmen. Halleluja! Ich stehe erstmal gefühlt eine Stunde unter der heissen Dusche, kann hier meine Ausrüstung trocknen und ein paar Stunden schlafen. Gesagt, getan. 

Um 4:30 Uhr sitze ich wieder auf dem Rad. Laut dem Track habe ich noch ca. 190 km. Machbar für heute, bei jedem Wetter, mir ist jetzt alles egal  🙂 Es ist weiterhin dunkel und es regnet. Aber jetzt habe ich wieder trockene Kleidung. Ab hier wieder auf dreckigen und schlammigen Wegen unterwegs, irgendwann mit einer Fähre über den Nord-Ostsee-Kanal, vorbei an Felde am Westensee, dort auch wieder viele harte Höhenmeter und weiter Richtung Hamburg, sehe nur noch Hamburg vor mir. Ich mache eine letzte Pause in Heinkenborstel, tracke wieder meinen Standort bei KM 598 und entscheide ich mich dafür, jetzt nur noch im Dreck zu fahren, wenn es sich nicht umgehen lässt. Auch diese Entscheidungen gehören für mich zu einer Langstreckenfahrt. Entscheide immer so, dass du auch fahren kannst, das du vorwärts kommst, das du Distanz machen kannst. Das ist meine Devise. Und aus sportlicher Sicht, dachte ich mir, schneide ich niemanden damit ins Fleisch. Laut dem letzten Blick auf den Live-Tracker war es den Fahrern hinter mir eh nicht mehr möglich, bei mir aufzufahren. Ich wollte nun ins Ziel, zeitnah und anscheinend in einer ganz passablen Zeit. So bin ich ab Heinkenborstel nur noch überwiegend Radwege und Landstrassen gefahren, bis nach Hamburg. Gegen 14:30 Uhr am Samstag komme ich in Blankenese an, dem Ziel der Tour. Am Ende hatte ich zusammen gerechnet ca. 680 km gefahren, die Kilometer aus den 2 Stunden der Zimmersuche ausgeschlossen, weil Navi aus, zählt nicht zur Route. Maximale Fahrzeit waren 55 Stunden. Davon geschlafen habe ich 5 Stunden in Eckersförde und zweimal jeweils 20 Minuten Powernapping auf der Strecke. Viel Zeit habe mit dem ständigen Reinigen verbracht. Was ich mit der Mitnahme von Essen an Zeit gespart habe, musste ich für die Reinigung der Maschine opfern. So ist das eben auf der Langdistanz. Alles kann passieren, so genau du auch alles planst. Es ist und bleibt ein Abenteuer und das macht für mich den Reiz aus.

Besonders gefreut habe ich mich, als ich in Blankenese das Ziel vor Augen hatte und mich Mandy mit Steve und Emelie, wie auch Jens dort oben in Empfang nahmen. Vielen Dank dafür! So kann ich am besten eine lange Fahrt abschliessen. Im Ziel zu sein und zu wissen, das war es jetzt, ich habe fertig. Lasst uns nach Hause gehen!

Als Fazit zum Track selbst – der Holy Gravel ist eine sehr abwechslungsreiche Langstreckenfahrt durch Schleswig-Holstein. Mit viel unterschiedlichen Untergründen. Jederzeit mit wunderschönen Aussichten, vielen Seen, viele ruhige und auch unruhige Stücke durch Wälder und Naturparks, überraschend viele Berge und Höhenmeter. Und dann noch ganz viel Küste und Meer! Traumhaft auf dem Rad! 

Jedoch – das Wetter ist nicht zu unterschätzen, Anfang November fühlt sich im Norden genauso gemein an, wie hier bei uns. Es ist ist kalt, vor allem Nachts. Es regnet viel. Und es ist meist viel Wind. Hier entscheidet sich viel über die richtige Kleidung. Ich hatte eine Hardshell-Jacke dabei, nicht gefüttert, nur als Schutzmembrane. Ohne diese hätte ich nicht so lange im kalten Regen bei Nacht fahren können. Und ich habe mehrmals mein Rad von Dreck und Sand befreit. 2 x Waschstelle gefunden, 2 x zum Bauernhof, und einmal im Meer gereinigt 🙂 all das sollte man meiner Erfahrung nach berücksichtigen, wenn man den Holy Gravel am Stück fahren will.

www.holygravel.de